Überzeugt bin ich, dass eine Form erforderlich ist, in der Glaube wirkt. Schon allein wegen Jakobus 2,14ff: Glaube ohne Werke ist nicht nur tot, sondern vor allem nicht vorzeigbar.
Etwas, das keine Gestalt hat, kann sein oder auch nicht. Es fehlt einfach alles, woran man es prüfen oder beurteilen könnte. Wenn wir also über die Gestalten und Formen nachdenken, in denen Glaube sich zeigt (oder manifestiert), dann müssen wir über etwas in der Welt nachdenken, das den Glauben ausdrückt, von ihm zeugt oder doch (s)eine Wirkung ist.
Wir haben im letzten Blogartikel gezeigt, dass die Form des Vereins, die sich so lange bewährt hat, aus vielfältigen Gründen an ihr Ende gelangt. Sicher nicht überall in gleicher Weise, aber: Es bröckelt bereits an allerlei Ecken und Enden. Jetzt ist die Zeit, um über neue Formen nachzudenken, damit wir diese zur Hand haben, wenn die bisherigen nicht mehr passen. Was also könnten neuen Gestalten werden, wie können Ausdrucksweisen des Glaubens für die Zukunft aussehen?
Sehen wir uns einmal die Bilder und Metaphern im Neuen Testament an: Das sind besonders bei Paulus solche, die den Leib bzw. Körper als Bildebene nutzen. So begegnet es uns etwa in 1. Kor. 12,12ff. Gerade in diesem Bild gedacht: Ist es nicht ein Fehler, eine weltweite Kirche zu errichten? Auch der Leib ist ja endlich, es gibt genau zwei Ohren, zwei Beine und eine Nase. Es gibt Wachstum, aber das zeigt sich nicht in einem dritten oder vierten Ohr, sondern darin, dass wir etwa lernen, genauer zu hören, zu verstehen. Und: Irgendwann lässt unser Gehör nach, die Höhen fehlen, wir verstehen nicht mehr so gut und brauchen vielleicht ein Hörgerät.
Sind wir als Menschen nicht so aufgestellt, dass wir zunächst mal quasi die kleinste funktionsfähige Einheit bilden? Wir haben alles Erforderliche, aber eben auch nichts darüber hinaus. – Und nun denke ich das einmal auf Formen von Gemeinde oder Kirche hin. Wäre also das Modell einer konkreten Gemeinde nach einem eher kongregationalistischen Schema die Folge? Das hieße, dass möglichst viele, idealerweise alle, Entscheidungen in einer konkreten Gemeinde getroffen werden. In dieser Richtung orientieren sich die baptistischen Gemeinden. Sicher auch nicht in Reinform.
Denken wir das aber noch einmal einen Schritt weiter: Wäre eine Ausdrucksform unseres Glaubens nicht noch kleiner und smarter denkbar? Sehr wohl, aber wohl kaum, wenn es um ein Gemeinde-Gebäude und die Beschäftigung Hauptamtlicher geht. Klar ist: Mit dem Apparat steigt der Aufwand für die Selbstorganisation. Selbstverständlich wird die auch als Ausdruck des Glaubens gedacht. Ist es aber oft genug nicht. Buchhaltung ist eine weltliche Angelegenheit und ein Fluchtwegplan oder eine Parkplatz-Kennzeichnung sind es ebenfalls. – Selbst ein Gemeindevorstand, der über die Richtung nachdenkt, in der sich eine Gemeinde zukünftig ausrichten soll, wird immer sagen, dass er danach sich ausrichte, wo Gott die Gemeinde in einigen Jahren haben möchte. Praktisch sind das aber dann doch Entscheidungen, die Menschen hier-und-heute treffen, basierend auf ihren Erwartungen und Hoffnungen. Und sie kontrollieren, wie Planung und Ist-Zustand zusammenpassen.
Sehr kleine Gemeinden treffen sich entweder als Hauskirchen in einem Wohnzimmer oder einem Innenhof, so wie in der frühen Christenheit. Diese Modelle bewährten sich überall da, wo Unterdrückung und Verfolgung andere Formen verunmöglichten.
Wenn ich also das kongregationalistische Modell einmal denke für Gemeinden von 35 bis 1.000 Menschen, so wäre eine Hauskirche ein Modell für drei bis zwanzig (okay, dann braucht man schon viel Platz).
Wären nicht noch kleinere Modelle denkbar: Dass etwa eine Familie allein Glauben lebt – oder gar ein einzelner Mensch? Ja, auch das ist denkbar. Ich denke an dieses Modell, wenn Menschen ausgesandt werden in die Mission. Oft sind es Paare, Familien oder Einzelne… Also scheint dieses Modell zumindest eine mögliche Form zu sein. Denn intendiert ist ja gerade, dass die Wirkung der Ausgesandten in die umgebende Kultur hinein strahlt und diese in christlicher Weise verändert und beeinflusst.
In den Texten, die uns in den Briefen des Neuen Testaments begegnen, sind die jeweiligen Gemeinden als kleine Grüppchen vorausgesetzt. Die Frage ist, ob das kontingent ist (also: sich eben am Anfang so ergeben hat, weil es anfangs nur wenige Christenmenschen gab), oder ob das intentional so gedacht ist (ob es also gleichsam nicht bloß zufällig zu Beginn der christlichen Mission sich so ergeben hat, sondern durchaus so erwünscht und gemeint war als wesentlich für das Gelingen von Gemeinschaft in Gemeinde).
Ich habe heute (es ist Sonntag) rund zweihundert Seiten dazu in »Gelebte Gnade. Grundriß [sic!] einer Theologie der Ev.-meth. Kirche« (1993) von W. Klaiber und M. Marquardt gelesen, aber leider überhaupt keine Antworten gefunden. Nicht einmal ein Ansatz, warum Kirche dort jeweils so gedacht wird, wie sie eben vorfindlich ist, ist zu ermitteln. Ich meine: Wenn es im Kern um konkrete Gemeinschaft in der Nachfolge geht, dann braucht es jemanden, mit dem ich geistlich unterwegs bin: Gemeinsam im Hören des Wortes, im Gebet und im Sakrament, vielleicht im Lob Gottes. Das aber braucht keine Ämter und Gebäude, keine Verfassung und Ordnung. Selbst die Lehre kann auf ein Minimum reduziert gedacht werden.
Gerade dann, wenn wir feststellen, dass es keine Differenzen in Lehrfragen gibt, gibt es eigentlich keinen Grund, eine eigene Kirche zu sein. Dies gilt insbesondere, wenn die Anerkenntnis anderer so weit reicht wie in der EmK: Wenn also das Abendmahl eine Einladung Christi an die, die sich nach Gemeinschaft mit ihm sehnen, ist, dann ist auch die Taufe (insbesondere unter Betoung der vorauslaufenden Gnade) eine Taufe ohne Gliedschaft. In der EmK gibt es die Taufe von Kindern, die dann, wenn sie glauben und religionsmündig sind, sich in die Gliedschaft aufnehmen lassen können. Es gibt aber auch die Taufe religionsmündiger Menschen, die dann die Aufnahme in die Gliedschaft einschließt.
Wenn es so ist: Glaube und Abendmahl finden in vielen (fast allen) christlichen Kirchen statt. Warum bedarf es dann einer weiteren bzw. überhaupt einer speziellen? Die Predigt des Wortes Gottes ist auch in vermutlich allen christlichen Kirchen zu finden. Gebraucht wird das alles, klar. Das konstituiert noch keine Kirche oder begründet ihre Notwendigkeit.
Konkrete Gemeinschaft mit anderen braucht es m.E. schon. Notfalls virtuell, besser aber mit konkreten anderen am gleichen Orte. Das aber ist in der Familie, in einem Hauskreis oder dergleichen heute auch gut ökumenisch möglich. – Ich merke: Hier muss ich weiter drüber nachdenken. Aber nicht mehr heute.
Neueste Kommentare