In den letz­ten Mona­ten habe ich rela­tiv viel gepre­digt, weil Urlaubs­zeit war und ergo Bedarf. Pas­to­ren weg: Ehren­amt­li­che ran. Nun ist das nichts, das ich nicht möch­te, allein: Zeit, die ich ein­set­ze, kann ich nur ein­mal ein­set­zen. Wenn ich also eine Pre­digt vor­be­rei­te, dann kann ich nichts für die­se Sei­te in der glei­chen Zeit pro­du­zie­ren. Eine Pre­digt wird von zwi­schen 40 und 50 Men­schen live gehört (so bei mir in der Gemein­de gera­de unter Hygie­ne­kon­zept usw.) Dazu kom­men die Zuse­hen­den bei You­tube, auch nicht zu ver­ach­ten. 50 bis 160 Auf­ru­fe bei mei­nen Pre­dig­ten. Nach vier Wochen wer­den die Pre­dig­ten bei You­tube weggeräumt.

Hier habe ich etwa 60 Auf­ru­fe am Tag und kann nicht genau sagen, was die Besu­chen­den jeweils inter­es­siert. Es sei denn, ein Arti­kel löst eine Zahl von Kom­men­ta­ren aus. Jeden­falls habe ich den Ein­druck, dass jetzt erst­mal mehr hier auf die­ser Platt­form gut wäre. So mache ich beim Pre­di­gen eine Pau­se zumin­dest bis Jah­res­en­de. Acht bis zwölf Stun­den Vor­be­rei­tung erfor­dert eine Pre­digt – so mein Durch­schnitt im Track­ing. In der Zeit kann ich zwei bis drei Arti­kel schrei­ben bzw. ein bis zwei Pod­casts produzieren.

Wenn ich beden­ke, dass ich ja ehren­amt­lich bin, kann ich mir die Zeit neh­men. Wenn ich aber beden­ke, dass mit acht Stun­den Pre­digt­vor­be­rei­tung  20 % der Wochen­ar­beits­zeit eines Pas­tors schon weg sind, oder anders gesagt: Ein Arbeits­tag. – Mehr und mehr den­ke ich drü­ber nach, ob die zwan­zig Minu­ten die­sen Auf­wand recht­fer­ti­gen. Ist der »Impact«, die Prä­ge­kraft einer Pre­digt, so, dass man sagen kann: Statt vier Grup­pen oder sechs Besu­chen sind die acht Stun­den auf die Pre­digt­vor­be­rei­tung gut verwendet?

Was über­haupt prägt uns nach­hal­tig geist­lich? – Ist es die Pre­digt, ist es ein Vor­trag? – Sind es ande­re im Haus­kreis? Ist es das eine Buch, das mei­nen Glau­ben in eine neue Rich­tung lenkt? Oder ist es ein Bibel­wort? Ist es viel­leicht eine Pil­ger­rei­se? Oder ein christ­li­cher Film?

Für mich selbst kann ich sagen, dass es zuerst Begeg­nun­gen mit Men­schen sind, die mich beein­druckt und geprägt haben. In Grup­pen und Krei­sen. An zwei­ter Stel­le sind es bei mir eini­ge Klas­si­ker der christ­li­chen Lite­ra­tur. Bon­hoef­fer gehört dazu, Augus­tin gehört dazu, Luther eben­falls (in abstei­gen­der Rei­hen­fol­ge nach ihrer Präg­kraft auf mich). – Nun weiß ich aber, dass kaum jemand die­se Bücher liest. Vie­le Chris­ten­men­schen lesen ins­ge­samt kaum. Und: Neue Medi­en neh­me ich wahr, aber sie prä­gen mich bis­her m.E. kaum. Ich kann kein You­tube-Video, kei­nen christ­li­chen Film nen­nen, der mich nach­hal­tig geprägt hätte.

Bei den Pre­dig­ten ist es so, dass ich mich an eine gan­ze Anzahl an Pre­dig­ten erin­nern kann, dass ich aber kaum sagen könn­te, dass mich dies oder jenes in mei­nem Glau­ben deut­lich wei­ter­ge­bracht hät­te. Lohnt das also, dass wir die impli­zi­te Annah­me machen (mit Römer 10,17): »So kommt der Glau­be aus der Pre­digt , das Pre­di­gen aber durch das Wort Chris­ti.« – Und ich fra­ge (mich und ande­re): Ist das so? – Ich den­ke, dass die zuge­trof­fen hat, als Pau­lus sei­nen Römer­brief schrieb, in der Früh­pha­se des Chris­ten­tums, in der kei­ne Lite­ra­tur ver­füg­bar war, und für die meis­ten Men­schen der Erst­kon­takt mit dem christ­li­chen Glau­ben in einer Pre­digt geschah.

Heu­te hal­te ich das für eine maß­lo­se und unbe­grün­de­te Annah­me – und eine Über­for­de­rung der Pre­digt und der­je­ni­gen, die sie hal­ten. – Sehe ich das falsch?