Hier der zweite Teil zum selben Thema: Eine Predigt, die ich am vergangenen Sonntag gehalten habe… Hier der Videomitschnitt: Die Predigt beginnt ca. bei 15 Minuten…
Hier das Manuskript…
Gott segne unser Hören und Reden. Amen.
Liebe Gemeinde,
Paulus betont im Epheserbrief, dass es zwei Phasen gibt: Ein Vordem und ein Jetzt: Alle Menschen sind zunächst einmal Weltmenschen. Sie verfolgen eigene Ziele, das nennt die Bibel dann Sünde, weil Gott eben nicht zum Zuge kommt. – Paulus aber betont, dass das früher war: Jetzt nämlich hat Gott seine Leute, die sich in der Gemeinde in Ephesus damals ebenso versammelt haben, wie in der Johanneskirche heute, gerettet. – Paulus betont: Das ist ein Tun Gottes, es ist Gnade (also unverdiente Milde, um es mit dem Duden zu übersetzen).
- Beispiel Helmut Kohl… für meine Regierung bedarf ich der Gnade des deutschen Volkes…
Dieser Unterschied zwischen dem Vordem und dem Jetzt ändert allerhand: Wir bleiben die selben Menschen, brauchen Gesundheit und Nahrung und Beziehungen zu anderen – aber: Wir verfolgen nun Gottes Ziele.
Schon seit dem Anfang war klar: Man hört die Botschaft, man glaubt, man kommt zur Gemeinde. Dass sich um des Evangeliums willen Menschen in die Einsamkeit etwa einer Wüste zurückzogen oder gar auf eine Säule (als Säulenheiliger), das war die absolute Ausnahme.
Gewöhnlich ging das so (denn Kirchen hatte man ja nicht): Jemand hatte ein Haus mit Innenhof. Da traf man sich. Oder: Ein Handwerker ließ die Werkstatt etwas leer- oder aufräumen, so dass dann zwischen Dachbalken und Hobel 15, 20 oder 30 Menschen Gottesdienst feiern konnten.
…wir sind sein Werk, geschaffen zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen. – so heißt es im Predigttext.
Die guten Werke und die Frage, wie christliche Gemeinschaft organisiert ist und wird, das hängt miteinander zusammen. Nachfolge ist zu allen Zeiten auch eine Frage, wie wir die Gemeinschaft, unser Miteinander auf der Fahrt durch das Meer des Lebens, einrichten und verstehen.
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Liebe Gemeinde,
es hatte einmal klein angefangen. Mit einigen Fischern am See Genezareth, die mit Jesus gingen, um Menschenfischer zu werden. Die wurden aus den verängstigten Jüngern, deren Rabbi man gerade gekreuzigt hatte, zu den Aposteln. Pfingsten kam der Geist Gottes über sie, und seither breitete sich das Evangelium aus.
Dieses Evangelium kam durch Gottes Geist, aber auch durch Apostel, durch Gemeinden, durch reisende Missionare. Bald bildete sich ein Netz von Gemeinden, die einander unterstützten. In unserer Kirche heißt diese Verbundenheit Connexio. Wo sich so etwas entwickelt, ist das ein Segen, aber eben auch eine Struktur: Bald brauchte es Ämter, Zuständigkeiten, Diakone, Älteste, Bischöfe usw.
Wenn wir das mit einem Boot respektive Schiff vergleichen, dann ist innerhalb von dreihundert Jahren nach Jesu Tod und Auferstehung aus den geruderten Fischerbooten der Jünger ein Tanker geworden. Die Konstantinische Wende war der Anfang dafür, dass im vierten Jahrhundert das Christentum die offizielle Religion im römischen Reich wurde.
Das erste Konzil, also eine Welt-Kirchenversammlung mit Beschlussgewalt, hatte 325 getagt, 381 fand das zweite Konzil statt. – Inzwischen war die Kirche ein Tanker geworden. Gefühlt 450 m lang und mit 9 km Bremsweg. Weisungsbefugnisse und Hierarchien, Befindlichkeiten von Bischöfen und unterschiedliche Glaubenstraditionen kamen in der einen Kirche zusammen und trafen (teils heftig) aufeinander.
Besonders die röm.-kath. Kirche versteht sich genau so: Als ein verschweißtes Ganzes mit einem Kapitän, Jesus, einem ersten Offizier, dem Bischof von Rom, dem Papst eben. Mit den Ingenieuren (den Kardinälen und Bischöfen) wird das Schiffsganze gelenkt und gesteuert. Und alle, vom Leichtmatrosen zum Kapitän, haben mitzumachen. Schließlich gehören sie zum Schiff.
- Was ist das Wichtigste im Leben eines guten Katholiken? – kurz erzählt
Stichwort: Das Wichtigste im Leben eines guten Katholiken ist die Messe. Was ist das Wichtigste an der Messe? – Die Eucharistie, das Abendmahl. – Was ist das Wichtigste an der Eucharistie? Die Wandlung. – Wenn man aber einer Gruppe guter Katholiken sagt, dass die Wandlung, die Veränderung und Entwicklung das Wichtigste ist, dann werden sie unverständig schauen.
Wir sollten den Vorzug so großer Schiffe nicht geringschätzen: Man baut sie, weil sie relativ wenig Treibstoff benötigen für sehr viel Ladung. Im Vergleich ist eine größere Schiffsschraube einfach viel effektiver als kleiner. Beim Antriebsstrang ist der Reibungsverlust nur unwesentlich größer. Aber: Wenn eine Schraube statt 50 cm 250 cm Durchmesser hat, dann ist die Wasserfläche, auf die sie wirkt, um ein Vielfaches größer. Fragt die Ingenieure hier. – Das ist wie mit unseren Windkraftanlagen: Die lohnen sich um so mehr, je größer sie sind. – Tatsächlich baut man sie so groß wie möglich, so dass sie gerade noch durch die Schleusen passen und an die Liegeplätze. – Gesetzliche Regelungen sehen vor, dass so ein Schiff die 20-fache Eigenlänge als Bremsweg haben darf. Also bei den größten Tankern, die 450 m lang sind, 9 km. – So eine Vollbremsung macht man aber nur einmal: Bei der Abnahme. Das ist mit so hohem Verschleiß verbunden, dass man es um der folgenden Reparaturen usw. vermeidet, sofern irgend möglich.
Ein großer Tanker kann durch kleine Wellen kaum vom Kurs abgebracht werden. Wenn der durchs Wasser gleitet, dann gleitet er. Ein Surfbrett oder eine Jolle aber werden von den Wellen leicht umhergewirbelt. Da hilft kein Schwert. Es geht da einfach ums Gleichgewicht der Kräfte.
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Es genügt nicht, ein Teil vom Ganzen der Kirche zu sein. Quasi seit Geburt angelötet. Was in diesen stürmischen Zeiten und an unbekannten Küsten und Gefilden erforderlich ist, dass ist: Ein Verbund selbständiger, kleiner Schiffe. Einzelner Christenmenschen, Familien, Hauskreisen. Die alle müssen (a) nachfolgen wollen und (b) nachfolgen können. Sie müssen seetüchtig sein.
Seit den frühen Tagen des Methodismus ist Bildung (mit Sonntagsschule und Büchereien) wichtig: Sie ist unverzichtbar, denn sachkundige Nachfolge besteht eben nicht darin, den Leitplanken zu folgen, die der Pastor oder der Vorstand setzen. Nachfolge ist eben nicht Gehorsam, sondern eigene Bemühung, eigenes Fragen: Was möchte Gott, dass ich tun soll. Nachfolge bedeutet eigene, verantwortete Entscheidungen. Und manchmal machen wir eigene Fehler und brauchen den Willen, wieder auf Kurs zu kommen.
Müssen Navigation und Knoten beherrschen, um sich auch dann festmachen zu können, wenn es stürmig wird. Sie müssen wissen, warum sie sich auf diese Fahrt begeben. Wenn jemand das nicht weiß und will, dann wird er oder sie bei der nächsten Gelegenheit von Bord gehen. Der nächste Hafen und Landgang kommt bestimmt. Freiwilligkeitskirche bedeutet: Niemand muss. Alle wollen, haben eine intrinsische Motivation oder gar keine. – Menschen bringen sich ein, teilen Zeit und Leben mit anderen. Sind gemeinsam auf einem Weg des Glaubens. Und zwar um Gottes und um der Menschen willen. – Nicht deshalb, weil sie mit der Zeit nichts anderes zu tun wüssten, als Gemeinde als Hobby zu betreiben!
Freiwilligkeitskirche bedeutet: Wir wissen uns jeweils von Gott auf diesen Kurs gebracht. Wir tun uns mit anderen zusammen. Aber es geht nicht darum, ein schönes Schiff zu bauen, sondern Kräfte zu sparen. Wie Zugvögel im Formationsflug: Jeder einzelne spart Kraft, und so kommen sie alle gemeinsam weiter als jeweils allein.
Die großkirchlichen Tanker können, wenn der Eisberg weniger weit entfernt ist als der Anhalteweg lang, bloß drauf fahren. Bremsen geht dann nicht mehr. Augen schließen, und warten, bis es kracht. – Und: Es knarrt bereits gewaltig: Man stopft Löcher. Überall brechen Menschen weg und aus den Löt- und Schweißstellen. Oberhalb des Wasserspiegels ist das lästig, aber verkraftbar. Unterhalb aber darf es keine Löcher und Risse geben. Sonst droht der Untergang und eine Umweltkatastrophe. Ein Tankerunglück, Ölpest inklusive.
Jeder Missbrauchsfall, jeder goldene Wasserhahn aber reißt neue Lecks in die Personal-Decke des Tankers.
Wie ist das bei unserer Kirche? Handelt es sich bei der Evangelisch-methodistischen Kirche um eine Flotille von lauter Jollen und Optimisten? Sind wir alle als Methodisten dazu gemacht, als Einhandsegler allein die Welt zu umrunden? Ohne richtigen Schlaf, allein auf uns gestellt? – Das weltweite Methodist World Council hat etwas mehr Mitglieder als der Lutherische Weltbund. Das klingt auch nach einem zumindest Containerschiff, oder?
Ein Sprung und ein Exkurs: 1742 hat John Wesley ein schmales Heftchen veröffentlicht: The Character of a Methodist, das in deutscher Ausgabe (neu übersetzt und bearbeitet von Manfred Marquardt Kennzeichen eines Methodisten heißt.
Darin macht Wesley deutlich: Es geht nicht um bestimmte Lehrmeinungen, auch nicht um bestimmte Ausdrücke oder Gebräuche, sondern Methodisten freuen sich, dass Gott sie erlöst hat. Diese Liebe Gottes zu uns setzt in uns Liebe frei zu allen Menschen. Anders gesagt: Methodisten sind schlicht und einfach Christen.
Bei uns geht es nicht um eine Sonderlehre und also auch nicht um (eine) Kirche. Vielmehr geht es um Gott und um die Menschen. – Wenn unsere Kirche dazu hilft: Prima! Dazu ist sie da. Wir wissen aber: Es geht nicht um die EmK: Kirchen und Gemeinden sind Wirkweisen Gottes in der Welt und in die Welt hinein. – Bonhoeffer spitzt zu: Christus als Gemeinde gegenwärtig.
Wenn die EmK einen Zweck hat, dann sicher nicht den Selbsterhalt, sondern den Dienst in und an der Welt und den Menschen. Selbstverständlich hat nicht allein die methodistische Kirche diesen Auftrag, sondern er gilt allen Christen. Wohl denen, die mit anderen zusammen das Reich Gottes aufbauen möchten. Wir sind zur Ökumene gemacht, zum Miteinander mit anderen Christenmenschen.
Wir müssen aber, gerade unserer Freiwilligkeit wegen, bei allen individuellen Gaben, etwas mitbringen: Nicht jede muss sich mit einem Digitalmischpult auskennen, nicht alle müssen Musik‑, Buchhaltungs- oder Kirchenbau-Spezialisten sein.
Einiges aber müssen alle können, wenn es darum geht, dass jede und jeder anderen zum Evangeliumsbotin oder ‑boten wird: Das setzt aber (a) konkreten eigenen Glauben und (b) geistliche Sprachfähigkeit voraus. Fast noch wichtiger ist © Liebe zu den anderen. Zu den »noch nicht Christenmenschen«.
Gemeinde, das ist ein Ort für Bildung im Glauben, um sprachfähig zu werden, das ist so wichtig wie noch nie! Jede und jeder sind gefragt, und nichts schadet mehr als Floskeln, die andere als solche sofort durchschauen.
Wir wollen nichts sein außer Christenmenschen. Nachfolgerinnen und Nachfolger Christi. – Nicht mehr und nicht weniger.
- Bild aus »Findet Nemo«: kleine Fische, die sich zu einem großen zusammentun. – ja, ein Bild. – Wenn es nötig wird können angesichts des drohenden Eisbergs Teile links und teile rechts vorbei fahren. Und ich beziehe mich weder auf die Tagespolitik noch auf die großen Fragen in den letzten Jahren im Methodismus. Ich meine das ganz bildlich: Hindernissen, Klippen und Gefahren können umschifft werden, weil der Schiffs-Verband sich umstrukturieren kann.
Ich gehe so weit: Wenn – aus welchen Gründen auch immer – unsere Kirche einmal nicht mehr bestehen sollte, so ändert das gar nichts. Wesley wollte Glauben wecken und Menschen erreichen. Nicht eine Kirche gründen. Wir alle könnten dann in anderen Kirchen und Werken weiter unser Ziel verfolgen: Den Menschen zu dienen und Gott Ehre zu machen.
Das übrigens macht den Unterschied aus zwischen Gemeindeaufbau und Bau des Reiches Gottes. Mir geht es vor allem um letzteres.
Wesley und die frühen Methodisten haben früh erkannt, dass konkrete Gemeinschaft mit (einigen) anderen hilft, unsere Nachfolge und unseren Glauben weiter zu bringen auf die nächste Stufe. Damals nannte man das Klassen, heute sprechen wir von Kleinen Gruppen, Hauskreisen usw. – Die wenigsten Menschen sind als Einhandsegler gemacht. Eremiten und Säulenheilige einmal ausgenommen. Allen anderen hilft die Gemeinschaft mit den anderen. Und es hilft, Glauben und Gebet zu praktizieren, zu leben und einzuüben.
Wenn Einzelne seetüchtig in Glaubensdingen sind, lassen sich nach Bedarf Beiboote zu Wasser lassen, um die Küsten zu erkunden. Auch ein Fluss-Schiff ist denkbar. Es braucht bloß solche, die sich einbringen. Die das Ziel vor Augen haben.
Solche kleinen Fische wie Sie, Dich und mich, deren Lebenselement das lebendige Wasser ist. Dazu sind wir getauft, aus Wasser und Geist neu geboren. – Dazu hat uns Gott berufen: Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.
Amen.
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