Neu­lich ging es in einem vir­tu­el­len Haus­kreis ums »Wach­sen in der Nach­fol­ge«. Das The­ma war nicht allen gleich sym­pa­thisch, weil es sich um etwas han­delt, das einer­seits von der Spra­che her so typisch christ­lich klingt. Ande­rer­seits aber auch so schwie­rig abgrenz­bar ist von anders moti­vier­ter ver­ant­wor­ter Lebens­ge­stal­tung. Ob jemand nun als Huma­nist oder als Christ anstän­dig zu leben sich bemüht, ist oft von außen gese­hen unun­ter­scheid­bar. – So zumin­dest eine Position.

Braucht es also nicht nur Anstand? Und war­um dann mit from­mem Män­tel­chen? Auch die von mir an den Start gebrach­ten geist­li­chen Übun­gen, etwa das Gebet, das Medi­tie­ren oder Fas­ten, wur­den als unun­ter­scheid­bar von anders moti­vier­ten reli­giö­sen For­men, etwa einem jüdi­schen oder mus­li­mi­schen Gebet gekennzeichnet.

Was aber macht christ­li­che Nach­fol­ge so spe­zi­ell? Was macht sie aus?

Bei allem Inter­es­se an Trans­sub­jek­ti­vi­tät und Ant­wor­ten, die nach­voll­zieh­bar sind, mög­lichst für alle, begin­ne ich hier ein­mal mit mei­ner Antwort.

Nachfolge beginnt mit der Berufung…

Mei­nes Erach­tens ist Nach­fol­ge genau dar­um Nach­fol­ge, weil sie die Reak­ti­on eines Men­schen auf die Beru­fung durch Jesus ist. Hier aber wird es schwie­rig: Klar ist: Damals im See Gene­za­ret berief Jesus Fischer. Er kam an deren Arbeits­platz und for­der­te sie auf, mit ihm zu gehen. Das pas­siert so heu­te nicht. Es gibt gar zwei Grup­pen von Men­schen. Die einen, die sich genau so beru­fen sehen und wis­sen. Die ande­ren, die das weder erlebt haben, noch sich das vor­stel­len kön­nen. Ich zäh­le mich ins ers­te Lager, auch dann, wenn sol­che aus dem zwei­ten immer wie­der mal von Auto­sug­ges­ti­on sprechen.

Nach­fol­ge ist zwar hof­fent­lich Frucht-brin­gend. Es geht aber bei der Nach­fol­ge nicht um ihre Effek­te, son­dern um ein Leben in der Nähe Chris­ti. Das ist heu­te anders zu ver­ste­hen als bei den ers­ten Jün­gern. Als Jesus mit sei­nen Schüler/inne/n durch Paläs­ti­na zog, war die Nähe leib­lich und spür­bar. – Heu­te ist es eine eben­so nah emp­fun­de­ne Bezie­hung, aber sie ist weni­ger anfass­bar. Jesus ist da, aber eben anders als damals.

Von außen betrachtet…

war der Zwöl­fer­kreis mit Jesus kaum von ande­ren Wan­der­pre­di­gern unter­scheid­bar. – Und ich den­ke, dass es sich heu­te ähn­lich ver­hält. Ob sich Chris­ten­men­schen als Chris­ten bemü­hen, anstän­dig zu leben oder Juden als Juden, Huma­nis­ten als Huma­nis­ten: Wahr­schein­lich kom­men sie je zu ähn­li­chen Ergeb­nis­sen. Die Unter­schie­de lie­gen in Details und rein von außen gese­hen, wären mir viel­leicht gar die Huma­nis­ten am liebs­ten. Sie haben beim guten Leben für ande­re und sich selbst am wenigs­ten Rei­bungs­ver­lus­te und Überbau.

Von außen betrach­tet ist aber auch zur Zeit Jesu und der Jün­ger nicht so anders als bei ande­ren Wan­der­pre­di­gern und deren Schü­lern. Da zog ein Grüpp­chen durchs Land, dis­ku­tier­te hier, stritt dort, pre­dig­te da und heil­te (mut­maß­lich, was man so hört) eini­ge. Je mehr Men­schen das wei­ter­erzähl­ten, des­to wun­der­ba­rer wur­den die Taten und Wor­te des Rab­bi Jesus. Abge­se­hen von die­sen all­ge­mei­nen Effek­ten aber ist nicht viel gesche­hen, das der Rede wert wäre. Wenn es das gewe­sen und geblie­ben wäre, so wäre es bes­ten­falls eine Fuß­no­te zur Geschich­te des Judentums.

Ohne Gottes Geist hätte es kein (relevantes) Christentum gegeben…

Von außen betrach­tet geht die Geschich­te erst mit Pfings­ten los. Die zwölf Jün­ger (und eini­ge drum­her­um) machen den Kohl nicht fett. Das wäre nichts, wor­über zu berich­ten wäre. Man könn­te auch sagen: Nach­fol­ge wird erst dann rele­vant, wenn kei­ner mehr da ist, dem nach­zu­fol­gen ist. – Wenn es um die Geschich­te des Chris­ten­tums geht, dann gibt es da die Außen­sei­te, die Geschich­te von Macht und Ein­fluss auf die Poli­tik, auf ande­re (Mis­si­ons­ge­schich­te), Dia­ko­nie­ge­schich­te. Vie­les davon ist uner­freu­lich und heu­te – im Rück­blick – eher so, dass ich mir wünsch­te, dass es nie Sach­sen­mis­si­on, Kreuz­zü­ge, Hexen­ver­fol­gung usw. gege­ben haben möch­te. Lei­der kann ich das nicht ändern. Ein Freund wirft mir das immer wie­der vor, dass qua­si mein Glau­be latent die­se Gefahr zu irra­tio­na­len Kol­la­te­ral­schä­den ein­schlie­ße und gleich­sam not­wen­dig mit sich bringe.

Ande­rer­seits ist so viel Kul­tur und Musik, so viel Dia­ko­nie und Cari­tas, so viel Hoff­nung usw. kaum denk­bar ohne die­ses Chris­tus­ereig­nis und ohne die­se Jün­ger, die dann Apos­tel wur­den. Die Beru­fung in die Nach­fol­ge war der ers­te Akt. – Es fol­ge eine Zeit, in der die Jün­ger mit Jesus unter­wegs waren. Vie­les haben sie mit­er­lebt, eini­ges selbst getan (wur­de aus­ge­schickt…) – und gegen Ende die­ser Zeit steht der Ein­zug in Jeru­sa­lem mit Palm­zwei­gen für Jesus. Wenig spä­ter das letz­te Abend­mahl und die Gefan­gen­nah­me, die Kreu­zi­gung, das lee­re Grab, die Berich­te der Frau­en, die Erschei­nun­gen des Auf­er­stan­de­nen… Schließ­lich die Him­mel­fahrt und dann Pfingsten.

Sie sind nun einer­seits ziem­lich auf sich gestellt, ande­rer­seits aber ent­wi­ckelt sich durch Got­tes Geist so etwas wie Gemein­de und schließ­lich Kirche.

Hier wer­den die Ereig­nis­se von außen gese­hen rele­vant: Eine Bewe­gung, die knapp 300 Jah­re spä­ter den römi­schen Kai­ser Kon­stan­tin erfasst, kann man nicht mehr igno­rie­ren. Die Lite­ra­tur­pro­duk­ti­on (inner­christ­lich und etwa in der römi­schen Geschichts­schrei­bung) zeich­net ein­zel­ne Spu­ren nach, die die­se christ­li­che Bewe­gung gezo­gen hat.

Kulturelle und politische Wirkungen sind nicht das Eigentliche…

Wenn es Wir­kun­gen gibt, wenn Leu­te durch die Pro­vinz Asia rei­sen, nach Syri­en, dann durch den gesam­ten Mit­tel­meer­raum, und dort von Jesus als dem Chris­tus erzäh­len, gibt es kei­nen plau­si­blen Grund, dass das funk­tio­nie­ren könn­te. – War­um soll­te jemand sich die­ser Bewe­gung anschlie­ßen, war­um soll­te jemand Nach­tei­le in der römisch-hel­le­nis­tisch gepräg­ten Umwelt in Kauf neh­men, um zu Chris­tus zu gehö­ren?

Dass das geschieht hal­te ich für die eigent­li­che Wir­kung. Nicht so sehr, dass sich Kir­che zu einem Macht­fak­tor ent­wi­ckelt, dass es schließ­lich Bis­tü­mer und kirch­li­che Ämter gibt. – Viel­mehr dass in einer Situa­ti­on, in der Christ-Sein mit zahl­rei­chen Nach­tei­len behaf­tet war, Men­schen sich dem Evan­ge­li­um anschlos­sen. Dass sie (ob zuvor Hei­den oder Juden) nun Chris­ten wurden.

Kurz­um: Wenn jemand Christ wird nach­dem das Chris­ten­tum Staats­re­li­gi­on gewor­den war, so ist das mit per­sön­li­chen und ande­ren Vor­tei­len, die damit ver­bun­den waren, erklär­lich. Nicht aber in die­ser frü­hen Pha­se, in der man qua­si nur Nach­tei­le in Kauf neh­men musste.

Die Mis­si­on ist sicher auch eine, die mit Klug­heit, Ein­satz und Über­zeu­gung orga­ni­siert wur­de, aber vor allem ist sie eine Wirk­wei­se des Geis­tes Got­tes. – Ich mei­ne, dass sich dar­an bis heu­te nichts geän­dert hat: Ohne dass Got­tes Geist einen Men­schen anspricht, und in ähn­li­cher Wei­se in die Nach­fol­ge beruft, wie das Jesus am See Gene­za­ret getan hat, wird es kei­ne Nach­fol­ge geben.

Das aber bedeu­tet auch, dass der Kern­fak­tor nicht die Fra­ge ist, ob Chris­ten­men­schen getauft sind, ob sie die­ses oder jenes Bekennt­nis unter­schrei­ben, son­dern die, ob sie beru­fe­ne Nach­fol­gen­de sind. – Und wenn sie das sind: Ist es ihr Bemü­hen, das zu tun, was Gott möch­te, dass sie es tun?

Das gilt m.E. in jeder Hin­sicht. Ja, es gibt gute Taten, es gibt beacht­li­che Nächs­ten­lie­be. Lei­der gibt es auch ande­res, das bei Chris­ten­men­schen pas­siert. Ich mei­ne, dass sie nicht bes­ser sind, son­dern bes­ser dran. Und zwar wegen des Geis­tes, der eine bidi­rek­tio­na­le Ver­bin­dung zu Gott erschließt.

Anders gesagt: Christ­lich wird für abend­län­di­sche Kul­tur der ther­mi­schen Hexen­ver­wer­tung eben­so miss­braucht wie für Par­tei­en. In der Chris­ten­heit aber hat man das Chris­ten­tum abge­schafft. Viel­mehr geht es um Chris­tus, der nicht mehr in Jesus leib­lich greif­bar ist, wohl aber in Got­tes Geist an und mit uns wirkt. Und ich hof­fe, dass Bon­hoef­fer rich­tig liegt, wenn er sagt: »Chris­tus als Gemein­de gegenwärtig…«