Dies ist der zweite Beitrag in einer Reihe von Texten zum Buch »Nachfolge feiern. Geistliche Übungen neu entdeckt« von Richard Foster. Im Abschnitt Übungen für das innere Leben schreibt Foster über »Meditation«, »Gebet«, »Fasten« und »Studieren«.
Viele (auch Christenmenschen) sind heute mit dem Einüben wenig vertraut. Wir halten Christsein für einen Status, so etwas wie die Staatsbürgerschaft, das man entweder mit der Geburt (bei der Staatsbürgerschaft) oder bei der Taufe bzw. Bekehrung quasi automatisch erlangte. Allein: Das passt nicht. Wenn wir uns darauf einlassen, dass es sich um eine Beziehung handelt, so entwickelt sie sich. So wie sich Beziehungen zwischen Menschen entwickeln.
Beziehungen sind zunächst kein Status (klar, wer standesamtlich verheiratet ist oder familiengerichtlich geschieden, die oder der ändert den Status): Vielmehr geht es darum, dass sich öffentlich etwas abbildet, was sich entwickelt hat. Es wird also mit dem Status etwas festgestellt, was sich zuvor entwickelt hat.
Christsein heute: Vor allem dogmatisch…
Nun sind mehr und mehr derjenigen, die sich als Christenmenschen verstehen, vor allem an Inhalten und damit letztlich Gegenständen der Dogmatik interessiert. An der Bedeutung des Kreuzes, am Heiligen Geist. Diese dogmatischen Zugänge aber führen vor allem zu einem Sortieren in rechtgläubig und zu verwerfen. Das ist, wozu Dogmatik da ist und da war, und zwar seit dem ersten Konzil in Nicea. Allein: Diese Richtung des Nachdenkens führt nicht zu mehr oder besserer Nachfolge, eher gelebtem Glauben führt. Viele der evangelikalen Ansätze in den letzten Jahren blasen nur jeweils ins alte Horn.
Dogmatik hat ihre Funktion. Der Nachfolge aber dient sie nicht. Hier helfen geistliche Übungen.
Christliche Meditation
Richard Foster nennt als erste und grundlegende Übung die christliche Meditation. Hierbei geht es nicht um Leere im Geist, wie es andere (außerchristliche) Meditationsformen anstreben (auch den Sabbat der Versenkung gibt es wie Petrus Cellensis betont), sondern es geht darum, in meinem Denken und Atmen mehr und mehr Gott zum Zuge kommen zu lassen. — Klingt merkwürdig, ist aber über lange Phasen der christlichen Geschichte ganz selbstverständlich gewesen.
»Warten auf Gott ist keine bequeme Sache. Für jemand, der darin ungeübt ist, ist es schwerer als alles andere Tun«, so Bernhard von Clairvaux.
Möglich ist es, imaginativ einzutauchen in bestimmte Szenerien. Ich stelle mir vor, dabei zu sein, wie Saulus vor Damaskus erblindet, als er vom Christenverfolger zum Christus-Nachfolger wird. Meditation nutzt eben nicht die begrifflich-rationalen Wege des Zugangs zum Evangelium, sondern mehr die künstlerisch-kreativen. Wie klingt es, was höre ich, wonach riecht es?
Ums mit Wittgenstein zu sagen: Was sich klar denken lässt, lässt sich klar sagen. — Und über das andere wird geschwiegen. So etwa ist diese Mediation etwas, das sich wenig für den Dialog eignet.
Foster empfiehlt ein Traumtagebuch, in dem wir unsere Träume festhalten können. — Das ist nicht mein Weg. Ich träume vermutlich, aber ich kann mich fast nie dran erinnern. Hätte also wenig zu schreiben.
Das Meditieren einzelner Bibelworte oder Sätze empfehlen viele seit der alten Kirche. Sogar schon in der Bibel — etwa Psalm 63,7: »Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich, wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach.« — Oder auch Psalm 119,78: »Ich aber sinne nach über deine Befehle.«
Muße ist unabdingbar…
Meditation erfordert vor allem Zeit und Muße, die Kirchenväter sprechen vom otium sanctum (der heiligen Muße). Heute optimieren viele ihr Leben, indem sie immer mehr Inhalte hineinstopfen. Immer mehr Dinge, Interessen, immer höhere Produktivität. Es gibt da in Sven Regners »Herr Lehmann« eine Szene, in der Herr Lehmann mit der schönen Köchin aus der Markthallen-Kneipe diskutiert, ob die Zeit langsamer oder schneller verrinne, wenn man betrunken ist. Den Einstieg bildet in Dialog darüber, ob man (a) einfach leben (die Position des Herrn Lehmann) oder (b) noch etwas mehr im Leben, ein Ziel, einen Zweck o.ä. brauche. Letzteres ist die Position der schönen Köchin.
Klar ist: Unsere Zeitaufteilung und Selbstorganisation macht deutlich, welche Prioritäten wir im Leben haben und setzen. Ist es so, dass wir für Gott eine Stunde am Sonntag vormittags einplanen. Um 167 Stunden pro Woche von Gott nicht behelligt zu werden? Oder ist es umgekehrt, so, wie es Amos für die Segenszeit prophezeit: »nicht ein Hunger nach Brot oder Durst nach Wasser, sondern nach dem Wort des Herrn, es zu hören«.
Die Voraussetzung für Meditation ist die Erkenntnis, dass ohne die vertiefte und reifende Beziehung zu Gott etwas Entscheidendes fehlt. Meditation ist dabei wie ein Schlüssel zu all den anderen geistlichen Übungen. Sie ist unspezifisch und doch muss sie konkret und spezifisch werden, wenn sie uns auf unserem Nachfolge-Weg weiterhelfen soll.
Herzliche Einladung dazu.
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