Es ist Sams­tag früh, um 6:30 Uhr sen­det der Deutsch­land­funk die Mor­gen­an­dacht. Ich höre sie, höre über den Sonn­tag Laet­a­re, die Mit­te der Pas­si­ons- respek­ti­ve Fas­ten­zeit. Alles, was der röm.-kath. Ver­fas­ser sagt, kann ich gut nach­voll­zieht. Allein: Ich den­ke: Wenn es immer weni­ger Men­schen gibt, denen Fas­ten ein Ritus zur Reli­gi­ons­aus­übung ist oder auch nur bekannt ist, wie­so sagt er das dann – und wie­so so?

Ent­we­der geht es dar­um, die Rest zusam­men­zu­hal­ten. Die übri­gen Bro­cken an Kirch­lich­keit und Reli­gio­si­tät zu sam­meln, das klingt nach einem der Spei­sungs­wun­der. Allein: Die Kirch­lich­keit und die Reli­gio­si­tät, beson­ders in der röm.-kath. Kir­chen Kir­che, schwin­det gera­de­zu im frei­en Fall.

Mehr noch als die Bin­dung an die Kir­che fällt die Reli­gio­si­tät. Selbst sol­che, die sich als gläu­big bezeich­nen, prak­ti­zie­ren oft kei­ne äuße­ren For­men, die das aus­drück­ten. Etwa kei­ne beson­de­re Beach­tung von Fas­ten­zei­ten. Selbst der Mess­be­such (respek­ti­ve der Got­tes­dienst­be­such) ging bereits vor Coro­na dras­tisch zurück.

Andach­ten in Radio und Fern­se­hen schei­nen mir bei­spiel­haft. In der Zeit vor den Pri­vat­sen­dern war das »Wort zum Sonn­tag« eine der lang­wei­ligs­ten Arten reli­giö­sen Spre­chens, das ich mir vor­stel­len konn­te. Als Bibel.tv und ande­re via Satel­lit und Kabel kamen, kam die moder­ne­re Form – in der Musik, im Show­for­mat, aber eben auch in den Andach­ten. Auch das ist mehr­heit­lich nichts für mich. Ich lebe ohne Kabel-TV, ohne Satel­li­ten­schüs­sel und ohne DVBT; daher auch die Radio-Andacht oben als mein Beispiel.

Ich stel­le fest, dass sich inzwi­schen man­ches an die­sem For­mat geän­dert hat. Man­che Bei­spie­le – gera­de im Deutsch­land­funk – haben mich immer wie­der sehr ange­spro­chen. Das ist aber erst in den letz­ten ca. zehn Jah­ren so. Die Art des Spre­chens und des Den­kens set­zen oft mit Kul­tur­phä­no­me­nen ein (erin­ne­re mich posi­tiv an eine erzähl­te Sze­ne über einen mili­tä­ri­schen Scharf­schüt­zen, der einen Kna­ben, den man für einen Spreng­stoff-Atten­tä­ter hält, aus der Fer­ne erschie­ßen soll »Sni­per« heißt wohl der Film, den ich nicht gese­hen habe) und setzt mit vie­len Fra­gen fort, bei denen sich dann auch sol­che Erge­ben, die etwa alt­tes­ta­ment­li­che Pro­phe­ten auch gestellt haben.

Das Nach­den­ken knüpft an in der Gegen­wart, bei unse­ren Fra­gen, und setzt unse­re Zeit- und Medi­en­kul­tur vor­aus. Die Fra­gen, die sich ethisch erge­ben, wer­den in Bezug gesetzt zu Fra­gen all­ge­mein mensch­li­cher Art. Zu einem Dia­log mit expli­zit christ­li­chen oder bibli­schen Posi­tio­nen kommt es so. Wie sich jede und jeder ent­schei­det, bleibt offen und den ein­zel­nen überlassen.

Die christ­li­chen Medi­en­bei­trä­ge haben (wie zahl­rei­che Pre­dig­ten) den Nach­teil hoher Vor­her­seh­bar­keit. In der Sze­ne der Emer­ging Churches spielt hin­ge­gen nar­ra­ti­ve Theo­lo­gie und Rele­vanz eine beson­de­re Rol­le. Wie lan­ge noch wird es die­se klas­si­schen (und damit ja nicht schlech­ten) For­men geben? Ich selbst ärge­re mich ja so dar­über, nicht weil mir Fas­ten­zeit oder der Sonn­tag Laet­a­re fremd wären, son­dern weil ich die ver­ta­ne Chan­ce sehe, vie­le anzu­spre­chen, denen all das nichts mehr bedeutet.

Wäre das nicht eine Her­aus­for­de­rung – gera­de für den Deutsch­land­funk? – Ich weiß es nicht und trin­ke erst­mal einen Becher Kaffees.