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Nachfolge?!
Absichtlich schreibe ich nicht »Glaube«, denn Glaube ist nicht denkbar, ohne dass er sich manifestiert, dass aus dem Glauben Handeln folgt. Leicht könnte »Glaube pur« für ein »Für-wahr-Halten« gehalten werden, und das wäre das größte anzunehmende Missverständnis.
Im Jakobusbrief geht es schon darum, dass Glaube notwendig zu Werken führe. – Ich halte das für keinen Gegensatz zum paulinischen Denken vom sola fide, also dem Modell, dass Christenmenschen allein aus Glauben gerechtfertigt sind oder werden. Glaube ohne Werke ist mir nicht vorstellbar, eher etwas für den platonischen Ideenhimmel als für Menschen auf der Erde.
Nachfolge verweist stets auf den, dem nachgefolgt wird: Auf Jesus, den Christus. – Dass das so ist, steht für mich ganz außer Frage. Und wenn ich auf diesen Seiten von Postmoderne schreibe, als einer Zeit der Mehrdeutigkeiten aller Zeichen und von einem Zusammenhang der Zeichen zu anderen Verwendungen derselben Zeichen, die eben die Bedeutung prägen, so heißt das nicht, dass Glaube oder gar dass gelebter Glaube hier keine Rolle spiele.
Im Gegenteil: Diese Seite heißt ganz bewusst nicht »gläubige Postmoderne« (dann ginge es in erster Linie um die Postmoderne, die würde durch das Adjektiv »gläubig« näher bestimmt). Sie heißt vielmehr »Nachfolge postmodern«, weil es um Nachfolge geht. Postmodern ist ein Adjektiv, das diese Nachfolge beschreibt, denn wir leben m.E. in mehrdeutigen Zeiten. Dazu aber gibt es hier mehr.
Ein weiterer Vorzug des Begriffs »Nachfolge« besteht darin, dass er das Prozessuale, das Unterwegs-Sein in den Blick nimmt. Ich halte es für gar nicht genug zu betonen, dass »Christ-Sein« ein Prozess ist, mit dem ich nicht fertig werde, mit dem ich es nie werde ergriffen haben können. Stets lerne ich, bin und bleibe unterwegs mit Christus.
Glaube hingegen ist für manche die Zustimmung zu bestimmten Glaubenssätzen. – Ich halte die Beziehung und Weggemeinschaft, mit Christus und mit den anderen, im Hauskreis zuerst, aber teils auch in Gemeinde, für primär. Christusnachfolge gab es seit der Jüngerberufung. Dogmen seit der konstantinischen Wende. – Selbst die biblischen Schriften sind erheblich jünger als die Weggemeinschaft mit Jesus und den anderen.
Daher bin ich auch weit davon entfernt, hier andere auf dem Weg ihrer Christusnachfolge zu bashen, also anzupflaumen und ihnen etwas madig machen zu wollen. Im Gegenteil: Ich habe eine Weise, die heute für mich passt. Mit zwanzig Jahren habe ich anders gedacht und anderes geglaubt. Und ich werde in zehn Jahren hoffentlich weiter gekommen sein, sofern nicht vorher Christus wiederkommt.
Solange aber gilt es an jedem Tag neu danach zu fragen, was Nachfolge jeweils bedeutet. Da komme ich mit zehn Geboten oder dergleichen nicht aus, denn bestimmte Fragen, die sich heute stellen, gab es früher nicht.
Und bei bestimmten Fragen stellen sich m.E. die Antworten, die heute und für mich passen, anders dar, als das für andere zu je ihrer Zeit gewesen ist. – Diese Wertschätzung der Zeit (der vorletzten Dinge), in der wir leben, bewahrt mich davor, mich selbst an Gottes Stelle zu stellen. – Ich gebe nicht vor, wohin es geht, sondern ich folge nach.
1. Gedanke:
Nachfolge = unterwegs
»Nicht, dass ich’s schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich’s wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin.« (Philipper 3,12 – Luther 2017)
Wenn Paulus das schreibt, was soll ich da so tun, als ob ich am Ziel wäre? – Nachfolge ist stets ambulant, also unterwegs. Wenn Christus an seinem Ziel ist, zur Rechten des Vaters, so bin ich es noch lange nicht. – Es bleibt in dieser Welt reichlich zu tun, quasi als Gottes Bodenpersonal.
Christenmenschen sind dabei an Christi statt da für die Menschen, für die Welt, und nicht zuletzt als Hinweise auf den, der in ihnen wirkt.
Nachfolge ist progressiv
Das meint nicht mehr (und nicht weniger) als fortschreitend. – Es meint aber auch »fortschrittlich«, und also gerade nicht konservativ.
unterwegs: am besten mit leichtem Gepäck
Alles entwickelt sich und wird mehr. Lehre und Kirchenstruktur, Dogmatik und Ämter-Hierarchie. Nachfolge aber ist zu Fuß mit konkreten anderen, hinter Christus her.
Nachfolge heißt Jünger/innen/schaft
Nicht ich gebe den Kurs vor, sondern ich folge nach. Ich gehe dahin, wohin Christus die anderen und mich führt. – Das alles ist Christi Entscheidung. Ich mache nur mit und lasse mich darauf ein.
2. Gedanke:
Gottes Geist wirkt
Ohne Gottes Geist geht Nachfolge nicht. Zumindest nicht für mich. Dies aber unterscheidet Nachfolge auch von der Zugehörigkeit zu einer Kirche: Letztere erwirbt man oft genug über eine Kindertaufe, ohne dass der mutmaßliche Christenmensch dazu käme, mit Gottes Geist in Kontakt zu kommen.
Für mich ist deutlich: Wie auch immer wir die Taufe verstehen und deuten: Sie ist wichtig, aber nicht immer mit dem Geist Gottes zeitgleich, der Nachfolge ermöglicht und dazu führt, den Ruf in die Nachfolge nicht für völlig absurd zu halten.
der Geist wirkt bei allen, nicht nur Pfingsten
So eine Taufurkunde oder eine Aufnahmeurkunde in die Gliedschaft, das ist gut für die Kirchenbuchführung. Kriterium ist aber nicht, wen wir in unseren Büchern haben, sondern wen Gott auf seiner Liste hat.
der Geist Gottes macht klar: Da muss ich mit
Die Jüngerberufngsberichte sind völlig unverständlich nach menschlichen Maßstäben. – Zu erklären, warum die ihre Familien, ihre Arbeit usw. verlassen, ist kaum möglich ohne Gottes Geist.
sind wir nicht alle charismatisch?
Charisma, das ist eine gute Gabe Gottes. Wir haben so viele, und diese zu entdecken, einzubringen und von ihnen weiterzugeben, dazu setzt uns m.E. Gottes Geist frei.
3. Gedanke:
problem-orientiert
Die, die mit Jesus unterwegs waren, lernten auf die Situationen und die Begegnungen auf dem Weg sich einzulassen. Sie hatten keine eigene Agenda, sondern sie ließen die jeweiligen Menschen und deren Wünsche und Erfordernisse jeweils auf sich zukommen.
Menschen mit Krankheiten, Sünder und Kollaborateure, die ausgegrenzt wurden, sie alle wandten sich an Jesus und eben auch an die Jünger.
Sie lernen – und manchmal erscheint es so, als wüssten wir heute alles. Davon müssen wir aber weg, wenn Nachfolge gelingen soll.
ausgerichtet an den Nöten anderer…
Die Jünger mussten sich auf das einlassen, was sie vorfanden. Die Menschen um sie herum gaben die jeweiligen to-do-Listen vor.
ad-hoc und ohne eigene Agenda
die Jünger wussten nicht vorher, was kommt. Sie mussten zu reagieren lernen. Aber sie waren nahe dran an Jesus.
abhängig und ohne Macht
Heute fragen wir oft nach unseren Mitteln und viel zu selten nach unserem Auftrag und Gottes Mitteln. – Die Jünger lernten das Gegenteil.
4. Gedanke:
Nachfolge ist Dienst
Es geht um die anderen, die Jünger werden Menschen-Fischer. Sie gewinnen Menschen für Gottes Reich, so ist die Idee. Beim Fischfang geht es darum, Fische zu fangen, die aber dabei ums Leben kommen. Sie können an der Luft nicht leben, sie werden umgebracht und verkauft.
Wenn die Jünger aber Menschen fischen, dann ist zunächst mal klar: Es ist ein Gottesdienst. Sie tun etwas, wozu sie beauftragt sind. Aber: Sie dienen nicht allein Gott, sondern indem sie ihm dienen, dienen sie den Menschen, die sie fürs Reich Gottes gewinnen. – Und das bricht mit dem Bild vom Fischfang.
Die Jünger selbst haben erlebt, wie gut die Gemeinschaft mit Gott und mit den anderen tut. Wie diese Gemeinschaft und diese Ausrichtung des Lebens auf die Nachfolge Christi eine neue Richtung gibt.
Meine Gemeinde hat als Motto: »Nah bei Jesus, nah bei den Menschen.« – Das ist ein hoher Anspruch, gerade auch für eine Gemeinde. Wir schaffen das beides nicht immer. Aber: Ich finde es als Ziel sehr wünschenswert, weil es den Gedanken der Nachfolge auf einen (Doppel-)Punkt bringt.
Artikel »Nachfolge«
progressive Nachfolge…
Nachfolge ist progressiv… Progressiv bedeutet fortschreitend; und so funktioniert Jüngerschaft. Jünger laufen hinter ihrem Meister her, sind gemeinsam unterwegs. Dabei haben sie eben nicht vorher ein fertiges Programm, sondern sie lernen unterwegs. Sie reagieren auf die Begegnungen und Ereignisse. Diese Beschreibung ist ziemlich aus der Mode…
Ostern: Überwindung des Todes.
Zu leben, das ist die Bedingung der Möglichkeit für menschliche Handlungen. Nicht (mehr) zu leben ist folglich die Optionslosigkeit. Neulich las ich wieder einmal in Bonhoeffers Briefen aus der Haft, die in Widerstand und Ergebnung verfügbar sind. Dort findet sich in einem Brief »Mit dem Sterben fertig werden bedeutet noch nicht mit [dem] Tod…
Auferstehung und Liguistic-Turn: Ostern
Warum die Auferstehung nicht sinnvoll als »wahr« oder »falsch« bezeichnet werden kann… Eben habe ich einen Gottesdienst als Videostream gesehen, in dem es darum ging: »Ostern – Warum die Auferstehung wahr ist«. Für mich war das nichts, ich empfand die Predigt als vor dem Linguistic Turn. Nur damit ich hier nicht in die Ketzer-Ecke gedrückt werde:…
Mitleid (Sympathie) statt Triumph
Vielen Kirchen geht es nicht gut. Besonders schlecht dran aber ist die röm.-kath. Kirche derzeit. Sei es wegen eigener Fehler leitender Mitarbeitender (Bericht zu sexualisierter Gewalt erstmal nicht veröffentlicht…) sei es, weil Entscheidungen der Leitenden bei der Basis, dem »Kirchenvolk«, nicht gut ankommen (wie die klare Ablehnung aus Rom…
Neue Formen nach der Gemeinde und Kirche als »Verein«
Überzeugt bin ich, dass eine Form erforderlich ist, in der Glaube wirkt. Schon allein wegen Jakobus 2,14ff: Glaube ohne Werke ist nicht nur tot, sondern vor allem nicht vorzeigbar. Etwas, das keine Gestalt hat, kann sein oder auch nicht. Es fehlt einfach alles, woran man es prüfen oder beurteilen könnte. Wenn wir also über die Gestalten und…
Hauskreis als konkrete Gemeinschaft
Ja, ich gehöre zu einer Gemeinde; die anderen sind mit mehrheitlich liebe Weggefährt/inn/en. Konkret und unverzichtbar ist mir aber weniger die Gemeinde oder konkret der Sonntagsgottesdienst. Nichts gegen Musik, Lesung, Predigt und Segen. Das ist alles gut und schön (mehr oder weniger gut und mehr oder weniger schön). Konkret aber wird…
Post-Evangelikalismus!?
»Innerhalb der evangelikalen Bewegung gibt es inzwischen viele Menschen, die dem klassischen Evangelikalismus nicht mehr ganz zustimmen wollen. Etliche dieser Leute leben ihren Glauben im Privaten aus, finden aber für sich keinen Platz in den evangelikalen Kreisen. Gründe dafür können sein, dass diese Leute die erlebte Enge und den Dogmatismus…
vielleicht besser »Nachfolge intertextuell« statt »Nachfolge postmodern«…
Einerseits ist die Postmoderne in aller Munde, und als Begriff eingängig, gut zu merken. Sie ist gleichzeitig ein Modewort geworden wie ein Totschlagargument für und gegen alles. Wer von Postmoderne redet, der findet schnell Feinde auf allen Seiten. Besonders ausgeprägt ist natürlich (bzw. kultürlich) die Abneigung gegen alles Postmoderne bei…
additives oder multiplikatives Wachstum
Gemeinden brauchen Wachstum: Einmal, weil sie dazu ureigentlich da sind, um Jünger/innen zu gewinnen für das Evangelium und damit für das Reich Gottes, das in Christus angebrochen ist. Andererseits brauchen Gemeinden Wachstum, weil seit der frühen Christenheit stets welche gestorben sind, und noch immer ist die Wiederkunft Christi nicht…
Causa Latzel – Polemik ist einfach, Auseinandersetzung mühsamer
Worum geht es eigentlich bei der »Causa Latzel«? In Bremen gibt es an der St. Martini-Gemeinde (ev.-ref.) einen Pastor, Olaf Latzel, der an einer der großen und alten Kirchen der Stadt gemeinsam mit dem Kirchenvorstand konservativ-fundamental lehrt und predigt. So fiel etwa 2015 auf, dass die Gemeinde es ablehnte, eine Frau predigen zu lassen,…
Die Lücke wird schmaler – zwischen Fundi und Beliebigkeit
Anfang der 1970er Jahre war nicht alles besser, aber es war klar, in welchen Bereichen Kirchen gefragt sind: Die sozialen Herausforderungen, denen sich Linksevangelikale wie Jim Wallis (Sojourners) stellten, verstanden sie als Teil des Evangeliums. Ebenso wie die Überwindung der Ungerechtigkeiten in der Welt durch Apartheit und…
Hörspiel zum 2. Advent: Wenn Jesus heute wiederkäme… 2. Szene (von 5)
Religiöse Psychose und Gotteserfahrung… Dass Gläubige eher die Ausnahmen sind, das ist in der aufgeklärten Rationalität ein Faktum. Der Verdacht der Irrationalität ist gegenwärtig, wenn weltliche Menschen davon hören. Das wird meistens hingenommen. Die Grenze zur religiösen Psychose aber ist fließend. Ein Freund aus alten…
Warum Gemeinde und Evangelisation als Konzepte kollidieren…
Das Konzept der Evangelisation, also das (Neu-)Wecken von Glauben bei Menschen, die sich bisher nicht bewusst als Nachfolger/innen Christi verstehen, zielt auf den Ausbau des Reiches Gottes. — Gemeindeaufbau hingegen zielt auch darauf, aber hinsichtlich einer Gemeinde. Da es in Städten stets mehrere oder viele Gemeinden gibt, die teils bei…
Hörspiel zum 1. Advent: Wenn Jesus heute wiederkäme… 1. Szene (von 5)
https://www.johanneskirche-hannover.de/wp-content/uploads/2020/11/Advent_2020_D_1.mp3 Was ist narrative Theologie? – Das bedeutet, dass wir statt zu Entmythologisieren, statt also die äußere Gestalt wegzulassen, um den Kern herauszuschälen, die Aussagen in ein Bild, in eine Erzählung einkleiden. Wie sollte etwas abstrakt ausgesagt werden? Da…
Wie Werkzeuge auf Werkstücke einwirken…
Kaum kann man die Wirkung des Buchdrucks auf die Reformation überschätzen. Publizistik und Buchdruck sind gerade aus den evangelischen Kirchen nicht wegzudenken. Auch später: Erweckungen sind kaum ohne Traktate und Verteilschriften denkbar. Reformation und Buchdruck Insofern sind seit fünfhundert Jahren geschmuggelte Bücher ein Weg, das…