Nachfolge ist progressiv…

Pro­gres­siv bedeu­tet fort­schrei­tend; und so funk­tio­niert Jün­ger­schaft. Jün­ger lau­fen hin­ter ihrem Meis­ter her, sind gemein­sam unter­wegs. Dabei haben sie eben nicht vor­her ein fer­ti­ges Pro­gramm, son­dern sie ler­nen unter­wegs. Sie reagie­ren auf die Begeg­nun­gen und Ereignisse.

Die­se Beschrei­bung ist ziem­lich aus der Mode gekom­men, wenn wir an Glau­ben und Chris­ten­tum den­ken. Man kann es zuspit­zen: In der Chris­ten­heit hat man das Chris­ten­tum abge­schafft. Oft ist Chris­ten­tum heu­te eher nicht pro­gres­siv, son­dern kon­ser­va­tiv. Tra­di­tio­nel­le Fami­li­en­bil­der und ‑wer­te wer­den betont. Ohne aber die Fol­gen über­neh­men zu wol­len: Tra­di­tio­nell wur­den jun­ge Leu­te zu Beginn ihrer Geschlechts­rei­fe früh- und zwangs­ver­hei­ra­tet. Das aber haben auch kon­ser­va­ti­ven Chris­ten­men­schen nicht in ihren Pro­gram­men, dass die Kids mit 15 oder so ver­hei­ra­tet werden.

Mir geht es mit dem Gedan­ken auch dar­um, was aus die­ser Jün­ger­schaft unter­wegs folgt. Näm­lich folgt Zeit­ge­nos­sen­schaft. Wenn wir uns die Berich­te in den Evan­ge­li­en anse­hen: Gesprä­che knüp­fen bei den Nöten und Fra­gen der Men­schen an, denen die Jün­ger mit Jesus begeg­nen. – Und lei­der erle­be ich das auch heu­te immer weniger.

Wann haben Sie die letz­te kirch­li­che Ver­laut­ba­rung gele­gen, gleich von wel­cher Kir­che, die auf Fra­gen der Men­schen rings­um zu ant­wor­ten ver­sucht? Ich kann mich kaum erin­nern, dass das je der Fall gewe­sen wäre.

Wenn aber doch, so wahr­schein­lich unter Paul VI. – und die Ant­wort fiel nicht so aus, dass sie den Men­schen eine Hil­fe gewor­den wäre.

Mir erscheint es so, als hät­ten wir immer schon die Ant­wor­ten, hör­ten aber den den Men­schen und ihren Fra­gen nicht zu. Wenn ich da rich­tig beob­ach­te, ist es scha­de, denn wir ent­wick­len uns so als Kir­chen und als Chris­ten­men­schen lei­der nicht nach Chris­ti Vor­bild zu sei­nen Nach­fol­gern: Er nahm die Men­schen ernst. – Wir ent­wi­ckeln und zu einer clo­sed shop-Gemein­schaft, in die man mit den rich­ti­gen Sich­ten auf allen mög­li­che (und nur so) hin­ein­kommt. Damit aber ist man raus aus der Welt und aus der Zeitgenoss/inn/enschaft.

Je wei­ter wir unse­re Leh­re und unse­re Struk­tu­ren aus­bau­en, umso weni­ger sind wir unter­wegs mit Jesus. So behaup­te ich. Pro­gres­si­ves Chris­ten­tum bedeu­tet eben die­se Weg­ge­mein­schaft mit Chris­tus: Wer mit ihm unter­wegs ist, der soll­te tun­lich mit leich­tem Gepäck rei­sen, alles ande­re ist beschwer­lich, wenn man es tra­gen muss. –

Das ist einer der Kern­un­ter­schie­de zwi­schen Glau­ben einer­seits und Nach­fol­ge ande­rer­seits. Glau­be bleibt in man­chen Ver­ständ­nis­sen ganz bei mir: Ich glau­be (die­ses oder jenes). Nach­fol­ge hin­ge­gen muss stets mit­den­ken, wem denn nach­ge­folgt wird. Ohne die­se Anga­be ist die Rede von der Nach­fol­ge unsin­nig. – In Hiob 1,1 wird er als »got­tes­fürch­tig« geschil­dert. Eben nicht gläu­big. – Gläu­big näm­lich blie­be beim Men­schen, Got­tes­furcht aber betont, um wen es geht: Um Gott.

Wenn Nach­fol­ge pro­gres­siv ist, bedeu­tet das aber auch, dass sie den Begriff der »Pro­gres­si­vi­tät« von aller par­tei­po­li­ti­schen Ver­ein­nah­mung befreit. Die­ser Begriff ist nicht links oder rechts. Er ist fort­schrei­tend heu­te hier und mor­gen wei­ter. Nichts ist schlim­mer, als zemen­tier­te Pro­gres­si­vi­tät. Undenk­bar, ja, unmög­lich. Ein Wider­spruch in sich.

Bei der Beru­fung war der Zweck von Jün­ger­schaft noch klar: »Kommt, [folgt] mir nach, und ich wer­de euch zu Men­schen­fi­schern machen.« (so bei Mt.4,19) – Heu­te erscheint es, als wäre die­ses Ziel zumin­dest nicht mehr an ers­ter Stel­le. – Und das wäre über­aus scha­de, wenn es denn so wäre.