Warum die Auferstehung nicht sinnvoll als »wahr« oder »falsch« bezeichnet werden kann…

Eben habe ich einen Got­tes­dienst als Video­stream gese­hen, in dem es dar­um ging: »Ostern – War­um die Auf­er­ste­hung wahr ist«. Für mich war das nichts, ich emp­fand die Pre­digt als vor dem Lin­gu­i­stic Turn.

Nur damit ich hier nicht in die Ket­zer-Ecke gedrückt wer­de: Ich hal­te es für eben­sol­chen Unfug, die Auf­er­ste­hung als falsch, also unwahr zu erklä­ren. Sach­ver­hal­te an sich sind nicht wahrheitsfähig.

Die Zeit der onto­lo­gisch-meta­phy­si­schen Wahr­heits­be­grif­fe ist m.E. lan­ge über­wun­den, hof­fent­lich. Aris­to­te­les jeden­falls gilt als unbe­strit­ten lan­ge tot.

Spä­tes­tens seit Fre­ge und Witt­gen­stein und der Ana­ly­ti­schen Phi­lo­so­pie dürf­te deut­lich sein, dass die Prä­di­ka­te »wahr« und »falsch« Sät­zen, und zwar spe­zi­ell Aus­sa­ge­sät­zen, zukom­men. Las­sen wir ein­mal die Details (etwa bezüg­lich der Wahr­heits­fä­hig­keit von Aus­sa­gen über die Zukunft und dem fol­gen­den logi­schen Deter­mi­nis­mus) bei­sei­te, so bleibt:

Wahr­heit ist in die­sem Sin­ne etwas, das im Dia­log zwi­schen Men­schen aus­ge­sagt wird (so etwa in der dia­lo­gi­schen Logik nach Kamlah/Lorenzen). Und dafür wird gleich­sam ein Prüf­kri­te­ri­um ver­langt. Daher die gewich­ti­ge Debat­te um Fal­si­fi­ka­tio­nen, also die Wider­le­gung einer Aus­sa­ge. Nur sol­che Aus­sa­gen betrach­ten eini­ge als wis­sen­schafts­fä­hig, die sieg­haft wider­legt wer­den können.

Ande­re gehen eher libe­ral – und vor allem prag­ma­tisch – ans Werk. Sie sehen als »wahr« an, was nicht sieg­haft wider­legt wer­den kann. Das ist beson­ders im Bereich der dia­lo­gi­schen Logik ein ver­brei­te­tes Vor­ge­hen, weil es ein­fach die Dia­log­re­geln in den Blick nimmt. War­um soll­te jemand etwas nicht behaup­ten kön­nen, wenn es nicht wider­leg­bar ist. – Sicher: Bei sol­chen Sät­zen kann man noch immer über ihren Sinn oder ihre Bedeu­tung strei­ten. Aber: Auf­stel­len kön­nen soll man ent­spre­chen­de The­sen auf jeden Fall.

Was mich etwas frus­trier­te im erleb­ten Got­tes­dienst, das ist, dass mit einem Rea­lis­mus-Fun­da­men­ta­lis­mus (und einem Wahr­heits­be­griff wie bei Arits­to­te­les) im Jahr 2021 argu­men­tiert wird. – Das aber erscheint mir wie ein Anknüp­fen an die Chi­ka­go-Erklä­run­gen. Qua­si durch Peti­tio Prin­ci­pii wird bewie­sen, was zuvor als Annah­me ins Kal­kül gezo­gen wur­de. Das kann man machen, aber es holt mich nicht ab.

Wenn ich ein­mal die Sät­ze: »Der Herr ist auf­er­stan­den.« – »Er ist wahr­haf­tig auf­er­stan­den.« in den Blick neh­me, dann ist das eben gera­de kei­ne empi­ri­sche oder logi­sche Aus­sa­ge. Wenn wir mit Jakobson fra­gen, wel­che Funk­ti­on die­ses Spre­chen habe, so geht es vor allem um die appel­la­ti­ve Funk­ti­on, die etwas beim Emp­fän­ger aus­rich­tet: Näm­lich eine Bestä­ti­gung, dass bei­de, Spre­cher und ande­rer Spre­cher, der mit »Er ist wahr­haf­tig auf­er­stan­den« ant­wor­tet, die sel­be (christ­li­che) Spra­che spre­chen. Das ist gleich­sam der Hand­shake im Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­to­koll. Es geht aber nicht im enge­ren Sin­ne um eine Aus­sa­ge (und schon gar nicht um eine empi­ri­sche oder logi­sche), son­dern um eine Ver­ge­wis­se­rung des gemein­sa­men Sprechens.

Mein Umgang mit Ostern und der Auferstehung

Nun aber mal zu mei­nem Umgang mit Ostern und mit der Fra­ge, wie ich selbst es mit Ostern hal­te. Ich ver­ste­he mich als Chris­tus-Nach­fol­ger. Das ver­bin­det mich mit den frü­hen Jün­ge­rin­nen und Jün­gern und mit dem Pre­di­ger, der die Pre­digt unter dem Mot­to oben hielt.

In mei­ner Nach­fol­ge geht es weni­ger um Glau­bens­sät­ze. Es geht um eine geleb­te Bezie­hung zu Gott, die ich täg­lich zu gestal­ten mich bemü­he. Glau­bens­sät­ze sind ja auch nicht unbe­dingt pri­mär; sie ent­stan­den aus der Not­wen­dig­keit einer Glau­bens­nor­mie­rung im Rah­men der kon­stan­ti­ni­schen Wen­de. Wenn aber der Kai­ser Kon­zi­li­en ver­an­stal­te­te, so muss­te dabei deut­lich wer­den, was mehr­heits­fä­hig und halt­bar war. Das aber ist ein Akt der Nor­mie­rung, der Bestä­ti­gung des­sen, wor­in man in der Kir­che über­ein­stimmt, der Ver­wer­fung aller ande­ren Aus­sa­gen respek­ti­ve Leh­ren. Dies ist aber metho­disch dem Glau­ben nach­ge­ord­net. Erst muss es Chris­ten­men­schen geben, die sich als Nach­fol­gen­de ver­ste­hen, anschlie­ßend kann man, wenn man das denn möch­te und Kai­ser ist, sortieren.

Glau­bens­sät­ze brau­che ich in der Bezie­hung mit Gott kaum oder nicht. Glau­bens­sät­ze brau­che ich aber auch gegen­über ande­ren Men­schen eher sel­ten. Ich den­ke an ein Ehe­paar: Wie oft wer­den die ein­an­der die Rech­te und Pflich­ten und den beson­de­ren Schutz von Ehe und Fami­lie, etwa das Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht, bewusst machen oder gar zuspre­chen? Ich weiß, dass ande­ren der Sta­tus deut­lich wich­ti­ger ist. Das ist sicher auch eine Typfra­ge. Jeden­falls geht es mir um die geleb­te Bezie­hung und nicht um die Details der Kir­chen­ge­mein­schaft nach dem einen oder ande­ren öku­me­ni­schen Doku­ment. Auch weni­ger um die Auf­er­ste­hung oder die Drei­ei­nig­keit. Das sind Topoi (Moti­ve) der Theo­lo­gie­ge­schich­te, deren Ent­ste­hung und For­mu­lie­rung ich nach­zeich­nen kann.

In mei­ner eige­nen Bezie­hung zu Gott bete ich eher Psal­men oder höre auf ihn. Kon­zi­liä­re Rich­tig­kei­ten woll­te ich nicht unbe­dingt hören, wenn ich Gott wäre – Gott bewahre!

Sicher ist Kar­frei­tag (und die Bestä­ti­gung Jesu durch die Auf­er­we­ckung an Ostern), dog­ma­tisch den­ken­den Men­schen wich­tig. Mir scheint aber metho­disch pri­mär, dass Got­tes Geist jeman­den erreicht, dass der Ruf in die Nach­fol­ge an jeman­den ergeht. Inso­fern ist qua­si Pfings­ten metho­disch vorgeordnet.

Apo­loge­tik ist auch eine Typfra­ge. Mir liegt sie eini­ger­ma­ßen fern, es sei denn, wir ver­wei­sen mit unse­rem Leben oder den Früch­ten auf Christus.

»Joseph Ratz­in­ger betont die Bedeu­tung der Hei­li­gen und der Kunst: ›Die ein­zig wirk­li­che Apo­lo­gie des Chris­ten­tums kann sich auf zwei Argu­men­te beschrän­ken: die Hei­li­gen, die die Kir­che her­vor­ge­bracht hat, und die Kunst, die in ihrem Schoß gewach­sen ist. Der Herr ist durch die Groß­ar­tig­keit der Hei­lig­keit und der Kunst, die in der gläu­bi­gen Gemein­de ent­stan­den sind, eher beglau­bigt als durch die geschei­ten Aus­flüch­te, die die Apo­loge­tik zur Recht­fer­ti­gung der dunk­len Sei­ten erar­bei­tet hat, an denen die mensch­li­che Geschich­te der Kir­che lei­der so reich ist.‹[12]« (so Wiki­pe­dia)

Ich fin­de heu­te Pre­dig­ten mit einer ent­spre­chen­den Beto­nung weni­ger glück­lich, weil ich den­ke, dass sie wenig Anknüp­fungs­punk­te für Außen­ste­hen­de bie­ten, zumal mit ent­spre­chend wahr­heits­theo­re­ti­schem Unter­bau. Und zur christ­li­chen Selbst­ver­ge­wis­se­rung genügt eigent­lich ein Oster­gruß mit der ent­spre­chen­den Ant­wort »er ist wahr­haf­tig auf­er­stan­den.« – Den spre­che ich selbst­ver­ständ­lich mit. Weil ich das ja inhalt­lich auch nicht ableh­ne, son­dern weil ich mei­ne, dass man das von 1.800 Jah­ren so for­mu­lie­ren konn­te, heu­te aber anders for­mu­lie­ren soll­te, wenn man es meint. Es ist unei­gent­li­ches Spre­chen, Spra­che im Zitat, in der Inge­brauch­nah­me der Spra­che frü­he­rer. Inso­fern: Inter­tex­tua­li­tät ist mir sehr sympathisch.

Hal­le­lu­ja