im Neuen Testament
Der Begriff ist nicht einfach: Ekklesia. Die »Herausgerufenen«, die »Berufenen«, so wörtlich. Im griechischen Neuen Testament steht dies Wort gleichermaßen, wenn es sich um eine Hausgemeinde handelt, die etwa am Schluss eines Paulusbriefes gegrüßt wird. Es steht aber auch da, wo die Gemeinde in Korinth gemeint ist. Die Herausgerufenen in Korinth, quasi als Gemeinde-Anrede in der Grußformel.
Je mehr und je weiter sich die Gemeinden zu einem verbundenen System verwoben, desto eher kann man sagen: Die Kirche steht gegründet auf Christus… Da schreiben wir dann in der deutschen Übersetzung »Kirche«, nicht Gemeinschaft und auch nicht Gemeinde.
Das Ringen um die passende Entsprechung nicht nicht trivial, denn es setzt eine ganze Anzahl an Annahmen und Vorentscheidungen voraus.
heute…
Heute haben wir es mit einer unübersichtlichen Vielfalt von Kirchen, Gemeinden, Versammlungen usw. zu tun. Gerade in den letzten fünfzig Jahren haben wir einen Grad an Differenzierungen erreichen, der kaum vorstellbar war; insbesondere durch die nach-konfessionellen Gründungen.
Die Chance liegt darin, dass wir quasi für jeden christlichen Topf einen gemeindlichen Deckel finden können. Die einen passen prima zur Heilsarmee. Die anderen zum Christian Fellowship, dritte zu einer SELK-Gemeinde. Im Stadtteil, in dem ich lebe, entstand vor etlichen Jahre eine Alt-Katholische Gemeinde, und das belebte die fromme Landschaft und die Ökumene sehr.
Wir kommen kaum umhin, je auch an die anderen zu denken, wenn wir »Kirche« sagen. Andererseits betrifft das die meisten kaum, denn wir leben bisher kaum wirklich Ökumene: Die meisten gehen (nur) zu ihrer Gemeinde.
Nicht ausdrücklich ausgesprochen gehen wir doch davon aus: Die anderen sind irgendwo auf dem Weg der Kirchengeschichte falsch abgeboten. Das wird mir insbesondere dann deutlich, wenn ich mit recht klassischen Konzeptionen zu tun habe: St. Martini in Bremen etwa: Von Postmoderne und von Mehrheutigkeit ist dort noch nichts angekommen. Manche brauchen dieses klare schwarz und weiß, auch wenn es m.E. immer weniger in die Zeit und in die Welt passt.
Wenn wir heute »Gemeinschaft der Heiligen« denken als Synonym für »heilige christliche Kirche«, dann meint das (vernünftigerweise) eben nicht meine Kirche, sondern die Christenmenschen in der Welt – in all ihrer Vielfalt.
Mir ist das überaus wichtig, dass ich einerseits eine Position einnehme, weil sie mir passend für mich erscheint und meiner Art als Mensch den Glauben zu leben dient. Dass ich aber auch sehe und lebe, dass es viele andere Weisen gibt, die anderen ebenso dienen mögen.
Vielleicht sollten wir alle hin-und-wieder über den eigenen geistlichen Tellerrand sehen, und ganz andere Gemeinden einmal besuchen. Viele Jahre lang habe ich das als »Familiengottesdienst« in Hannover regelmäßig gemacht: Die anderen Zweige der geistlichen Familie einfach mal besuchen, einmal im Monat oder so. Jeweils eine Kirche, eine Gemeinde. Von den messianischen Juden bis zur Heilsarmee, von charismatischer Freikirche bis orthodox. Eine adventistische Coffee-Church (die leider nicht mehr besteht) ist mir ebenso in guter Erinnerung geblieben wie fahnenschwingende Charismatiker.
Wohlgemerkt: Das ist alles andere als Church-Shopping: Es geht nicht darum, etwas zu finden, das für mich passt. Das kann man auch machen, aber das ist ein ganz anderer Vorgang. Dabei würde ich eher von der Schriftform ausgehen, mir die Bekenntnisse und geistlichen Grundlagen durchlesen, und diese mit meinen eigenen Einsichten und Überzeugungen abgleichen.
Beim Familiengottesdienst geht es darum, die Vielfalt kennenzulernen, mich dran zu freuen und so etwas von der Größe Gottes wahrzunehmen. Auch von den teils seltsamen und gar nicht zu mir passenden Ästen des christlichen Stammbaums.
Dazu lade ich herzlich ein. – In jeder größeren Stand gibt es heute die Gelegenheit. Wir sollten sie gelegentlich einfach einmal ergreifen.
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