Kirchen mit Geschichte haben jeweils ihre Traditionen und oft (eigentlich immer) Punkte, an denen man sich stoßen kann. Die hindern, sich dieser Kirche X oder Y anzuschließen. Nun regte mich ein Gespräch zwisch Jeffery Saddoris (dem Podcaster) und Sean Tucker, dem britischen Photographen und gewesenen baptistischen Pastor, an, einmal darüber nachzudenken, was gegen eine (und zwar gegen jede) Art von Kirchen-Neugründung spricht.
Tucker sagte (in Deep Natter 31), dass ihm, nachdem er mit seiner eher fortschrittlichen Haltung in Gemeinden angeeckt wäre, Freunde geraten hätten, doch selbst eine Kirche aufzumachen. Und er sagte, dass er schnell erkannt habe, dass das keine gute Idee sei: Denn die, die dazu kommen, werden in ihrer Verbindlichkeit und ihrem Engagement meist die eher konservativen sein. Und die würden den Charakter jeder Kirche so verändern, dass es eben kein Ort für die anderen, die neuen, die nicht konservativen würde.
Ich denke, dass Tucker recht hat. – Sozial und diakonisch geht vieles, aber: Für Mitarbeit, ob im Vorstand, in den Gremien, ja, selbst in den Gottesdiensten, muss man gestrickt sein. Und diese Erfordernisse holen eher die traditionell strukturierten Menschen ab. Die »Explorativen« flattern mal vorbei, machen ggf. irgendwo mit und sind dann aber bald wieder anderswo. Es ist weder ihr Interesse, Strukturen zu bauen, noch sind sie hinreichend viele und hinreichend lange irgendwo, um den Marsch durch die Institutionen zu tätigen.
Neue Kirchen sind eher keine Lösung. – Wenn es eine Lösung gibt (und das muss jede/r selbst entscheiden, ob das eine Lösung für sie oder ihn ist), dann ist es ein religionsloses Christentum. Eben gerade der Verzicht auf jede Form von klassischen Strukturen.
Bonhoeffers »religionslose« Ansätze…
Bonhoeffer hat mit seinem Kapitel zu »teurer Gnade«, dem ersten in »Nachfolge« bereits in diese Richtung gedacht.
»Mit der Ausbreitung des Christentums und der zunehmenden Verweltlichung der Kirche ging die Erkenntnis der teuren Gnade allmählich verloren. Die Welt war christianisiert, die Gnade war Allgemeingut einer christlichen Welt geworden. Sie war billig zu haben. Doch bewahrte die römische Kirche einen Rest der ersten Erkenntnis. Es war von entscheidender Bedeutung, dass das Mönchtum sich nicht von der Kirche trennte und dass die Klugheit der Kirche das Mönchtum ertrug.« (DBW 4, 32)
Bonhoeffer stellt dann aber auch dar, wie die reformatorische Entdeckung Luther aus dem Kloster führte.
»Gott zeigte ihm [Luther] durch die Schrift, dass die Nachfolge Jesu nicht verdienstliche Sonderleistung Einzelner, sondern göttliches Gebot an alle Christen ist. Das demütige Werk der Nachfolge war im Mönchtum zum verdienstlichen Tun der Heiligen geworden. […] Luther musste das Kloster verlassen und zurück in die Welt, nicht weil die Welt an sich gut und heilig wäre, sondern weil auch das Kloster nichts anderes war als die Welt. […] Nachfolge Jesu musste nun mitten in der Welt gelebt werden. (DBW 4, 34f)
Mit diesen Denkansätzen geht Bonhoeffer bereits in die Richtung, bei der in seinen Briefen aus der Haft ankommt, dass das Religöse an sich, die äußeren Formen, dem Inhalt, Christus selbst, im Wege stehen. – Wer dies weiterdenkt, der kommt bei der Lehre von der Kirche in ein Dilemma: Kirche kann nur Kirche sein, wenn sie Welt ist, wenn sie eben kein eigenen, gewchützter Raum ist, sondern mitten in der Welt und für die Welt wirkt. Und wenn sie das tut, dann wirken zwar Christenmenschen, aber eben nicht Institutionen.
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