In unseren Gesellschaften hat sie vieles verändert in den letzten Jahrzehnten. Manches hat gewaltige Auswirkungen auf Gemeinden und Kirchen. – Die haben es bloß (größtenteils) bis heute nicht verstanden:
- Wenn in den meisten Familien zwei Einkommen erforderlich oder erwünscht sind, stehen bedeutend weniger Ehrenamtliche zur Verfügung. Gesteigerte Frauenerwerbstätigkeit lässt nicht bloß Frauenwerke ausbluten, sondern führt auch dazu, dass am Wochenende Familienzeit um so wichtiger ist. Und irgendwann muss ja auch der Haushalt erledigt werden (Einkaufen, Putzen, Waschen usw.)
- Die oft sehr kurzfristigen Einsätze derjenigen, die jobben, führt zu immer kürzeren Planungsintervallen: Wer erst am Vorabend weiß, dass sie oder er am Folgetag jobbt, kann kaum Gruppen und Kreise wahrnehmen. Das gilt für Supermarktkassen ebenso wie für Gastronomie, Lieferdienste, … Aber eben auch für Pflegeberufe, öffentlichen Verkehr usw. (Handy macht es möglich, sehr kurzfristig zu planen).
- Die Wochenenden werden immer mehr und vielfältiger besetzt. Nicht allein mit Bäckereien, sondern auch mit Tankstellen, Shops in Bahnhöfen, Kiosken usw. Ganz abgesehen davon, dass wir uns immer mehr einkaufsfreie Sonntage leisten (nicht bloß in der Adventszeit, aber auch da!) – Und die Freizeit-Industrie boomt: Parks, Konzerte, Museen, Kinos, Sport usw. inklusive Gastronomie.
- Bei vielen braucht es Zweit- und Drittjobs, um über die Runden zu kommen. Mehr Menschen putzen nebenbei, fahren Medikamente für Apotheken aus, liefern Zeitungen usw. Mini-Jobs gehören nicht nur bei Schülerinnen und Schülern dazu, sondern oft auch bei eigentlich Ruheständlern. Wenn der Hauptberuf schlecht bezahlt ist, ist es teils auch nötig für hinreichendes Einkommen oder erstrebten Lebensstandard.
Die Folgen merken wir in Kirchen und Gemeinden: Die sind nicht nur zu einem Anbieter unter vielen anderen geworden; man muss sie sich leisten können. Kollekten kosten auch Geld. Mitarbeit bedeutet, in der Zeit nicht zu arbeiten. Wer in der Band mitspielt, braucht Zeit zum Proben. Ein Instrument, Unterricht, teils wird erwartet, dass man seine eigenen In-Ohr-Kopfhörer mitbringt usw.
Die Art unserer gemeindlichen Angebote spricht eine bestimmte Gruppe oder Schicht an: Andere und deren Sorgen und Bedürfnisse haben wir – wie üblich – kaum im Blick. Das passiert leicht. Bloß sollten wir uns nicht wundern, wenn wir die dann nicht erreichen oder ansprechen mit dem, was wir anbieten. Ganz abgesehen von Stilfragen: Welche Musik, welche Formen usw. passen für wen. Auch welche Uhrzeit. Zehn Uhr morgens passt ausgezeichnet für einige. Für andere gar nicht. Für die aber ist dies bereits eine massive Hürde.
Wenn wir bei Youtube abfilmen, was wir so machen, ist das für einige, die nicht live teilnehmen können (aus Gesundheitsgründen etwa) hilfreich. Es ist aber für sonstige kaum attraktiv. Da passiert viel zu wenig. Die meisten Gottesdienste sind auf größere Spannungsbögen angelegt als unsere mediale Kultur. Für einen Gottesdienst ist eine gute Stunde eine angemessene Zeit, denn für eine halbe Stunde lohnt es sich ja auch nicht hinzufahren.
Für das Ansehen am Bildschirm ist eine gute Stunde schon sehr viel. Eine Predigt mit zwanzig Minuten ist für einen Redebeitrag sehr lang. – Und: Es gibt nicht viel zu sehen, selbst dann, wenn der Pastor einen Gegenstand mitbringt oder Bildchen auf ein Papier malt.
Wenn es dann noch technische Tücken, vom schiefen Ton bis zur Bildstörung, von schwierig zu verstehendem Ton bis zu Ausfällen der Internet-Verbindung dazu kommen, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, dass wir ästhetisch nicht an einen durchgestylten ARD-Fernsehgottesdienst herankommen. Und selbst der ist ein Minderheitenangebot.
Die Rahmenbedingungen haben wir nicht in der Hand. Aber: Wir können als Gemeinden und Kirchen reagieren, können neue und andere Formate anbieten. Vielleicht ja nicht bloß zusätzlich, denn immer mehr geht nicht mit immer weniger Menschen. Aber: Möglicherweise stattdessen. Das will gut überlegt sein, klar. Wenn man erstmal beginnt, Gottesdienste nicht mehr immer als gesetzt zu denken, dann sind das massive Veränderungen.
Möglicherweise aber sind es auch notwenige, wenn wir als Kirchen und Gemeinden in der Zukunft und im Herzen der Menschen einen Platz für Gott schaffen möchten?
Lösungen habe ich nicht, aber ich sehe eine große Anzahl an Herausforderungen und Anfragen bei dem klassischen Modell, das wir einfach so fortführen, auch wenn es schwieriger und weniger Menschen werden. – Und mehr, die auch gar nicht anzusprechen sind mit dem bisherigen Angebot.
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