wer keine Hoffnung hat.
Das gilt gleichermaßen für das »Weiter so« in der Frage, wie das Klimaziel (keine Erwärmung über 1,5° C gegenüber der vor-industriellen Phase) erreicht werden kann, wie es auch für Kirchen und Gemeinden gilt. – Dieses »Weiter-so« bedeutet ja, um die Schwierigkeiten und Herausforderungen zu wissen. Sie dennoch bewusst zu verdrängen, nicht anzugehen. Und dann, wenn die Katastrophe kommt, die man länger erwartet hat und zu der hin man selbst die Dinge vorangetrieben hat, zu hoffen, dass es nicht mehr einen selbst betrifft oder so schnell kommt, dass sich niemand mehr beschweren möge.
Wenn wir also sehen, dass wir bei den meisten Kirchen hierzulande massive Herausforderungen zu meistern haben, können wir entweder diese angehen. In der Hoffnung, dass der eingeschlagene Weg gut ist, von dem die Zukunft erst erweisen muss, ob er gut ist, der uns allen ab jetzt schon Arbeit und Komfort-Verzicht abverlangt. Alle Veränderungen, zumal in so sehr auf Beständigkeit angelegten Institutionen wie Kirchen es meist sind, sind mühevoll.
Mühevoll ist kein echtes Argument, wenn es um Hoffnung geht. – Denn: Wenn und solange wir eine Hoffnung für die Welt und die Kirchen haben, sollten wir zu tun versuchen, was wir können, um sie zukunftsfähig zu machen. Alles andere wäre (in meinen Augen) ein Ausdruck von Hoffnungslosigkeit.
Wunder in der Politk…?
Derzeit aber erleben wir sowohl in der Politik ein »weiter so« wie in der Kirche. So wird die Klimaerwärmung fortschreiten und die Folgen kennen wir: Vermehrte Extremwetter-Ereignisse, Wanderungsbewegungen, weil die bisherigen Lebensräume unbewohnbar werden für Millionen von Menschen. Enorme Kosten, denn der Effekt verstärkt sich selbst und führt zu weiterem und schnellerem Temperaturanstieg. Alle, die einigermaßen informiert sind, wissen, dass der Weltklimarat genau dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit prognostiziert. – Wenn das so ist: Warum steuern wir nicht um? Weil niemand seinen oder ihren Wählerinnen zumuten möchte, auf Wohlstand und Bequemlichkeit zu verzichten. Etwa auf das Dogma vom Wachstum, vom Individualverkehr mit hohem CO2-Ausstoß. Von immer mehr Singlehaushalten mit mehr Wohnraum (und Heizbedarf), steigendem Wasserverbrauch. Und klar ist: Wenn alle sich ernährten wie wir, wäre die Fleischproduktion ein gewaltiger Faktor für den Klimawandel.
Wer also gewählt werden möchte, muss offenbar – wie der Reichskanzler am Ende eines verlorenen Krieges – etwas von Wunderwaffen faseln, von neuen Entwicklungen der Wissenschaft. Bei der nachhaltigen Energieerzeugung ist das jedenfalls nicht gelungen und wird derzeit politisch nicht gewollt bzw. nicht entsprechend gefördert.
Wie aber ist es bei den meisten Kirchen?
Die betonen zutreffend, dass Glaube ein Geschenk Gottes ist. – Und legen somit nahe, dass man diesbezüglich nichts tun könne. Dass aber auch angestammte Gemeindeglieder sich zunehmend von Kirchen und Gemeinden abwenden, dass vielen die Bindung und empfundene Sinnhaftigkeit von Gemeinde abhanden gekommen ist, das wird kaum wahrgenommen. Sicher: Wir beklagen, dass wir schrumpfen. Wir nehmen das (wie die Extremwetter-Ereignisse) zur Kenntnis. Arrangieren uns damit. Manches geht eben nicht mehr, wenn wir weniger werden. – Zwei Wesensmerkmale von Gemeinde aber geben wir nur dann auf, wenn es gar nicht anders geht: Den Pastor (oder die Pastorin) und das Gebäude.
Beides sind große Kostenstellen in den Budgets. Hauptamtlich Beschäftigte, vor allem Pastor/Inn/en, sind für viele Gemeinden der größte Posten in der Bilanz. – Gebäude und deren Erhalt und Unterhalt inklusive Ausstattung sind auch sehr teuer. Grundsätzlich spricht gar nichts gegen Hauptamtliche und gegen Gebäude. Allein: Wenn sie zum Daseinsgrund werden, dann sind Mittel (Hauptamtliche Mitarbeitende und Räumlichkeiten) und Zweck (nämlich das Evangelium zu den Menschen zu bringen) vertauscht. Es ist ja eben nicht so, dass es nicht auch ohne Kirchenräume und Gemeindehäuser sowie ohne Hauptamtliche gegangen wäre. Gerade in Phasen starken Wachstums gibt es oft keine eigenen Räume, sondern Hauskirchen usw. Gottesdienst an öffentlichen Orten oder im Freien, wo dies möglich ist. Sicher ist dies weniger sakral. Es ist aber auch entschieden günstiger und es setzt Menschen frei, die sich nun um die Bauunterhaltung usw. kümmern. Wenn man/frau die hat: Prima. Wenn aber nicht, ist dies ein gewaltiger Vorteil.
Wenn wir den Gedanken vom allgemeinen Priestertum aller Christenmenschen (oder aller Getauften…) weiterdenken, dann bietet es sich an, die funktionalen Unterschiede zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen möglichst gering zu denken. – Die fetten Jahre sind vorbei. Da die meisten Kirchen aber keine Lagerhäuser gebaut haben wie Josef für den Pharao in Ägypten, muss ggf., wenn Schmalhans wieder der Küchenmeister wird, bei Hauptamtlichen drastisch eingespart werden.
Sicher fordert das die Ehrenamtlichen neu heraus, aber: Auch Paulus war Ehrenamtlicher. Niemand soll sagen, dass der nichts hätte ausrichten können: Und wenn er es nicht konnte, so konnte es Gott, der ihn sich berufen hat. Manche tun heute so, als gäbe es da gleichsam mehrere Stufen der Berufung: In die Nachfolge (also zum Christenmenschen) und dann noch mal in die Mitarbeit. Dieser Unterschied leuchtet mir angesichts des Neuen Testaments nicht ein. Dort sind die Christenmenschen (und zwar alle) Mitarbeitende.
Je früher umgesteuert wird, desto weniger Schleudertrauma. – Ich möchte weder das Weltklima noch meine Kirche gegen die Wand fahren. Beides betrachte ich als ethische Mandate, anvertraute Bereiche, in denen wir den Menschen (auch denen, die nach uns kommen) etwas schuldig sind. Bereiche, in denen wir aber auch Gott verantwortlich sind. Wir dürfen mit unseren anvertrauten Talenten arbeiten. Das anvertraute Gut in der Erde zu vergraben, das wird schon in Matthäus 25 getadelt:
»Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine. Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen. Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat.«
Kurzum: Auch bei Kirchen wird es eine massive Umverteilung geben. Die traditionellen Bindungen schwinden hier ähnlich wie bei den politischen Parteien. – Viele Menschen werden von keiner Kirche mehr erreicht, die aber einer angehören, werden eher bereit zu einem Wechsel und verstehen sich im post-konfessionellen Zeitalter weniger einer theologischen Detailösung verpflichtet als einer Gemeinschaft zugehörig, in der konkrete Nachfolge gelebt wird. Wenn eine Kirche oder Gemeinde das nicht überzeugend und nachhaltig tut (und das wird an den Früchten sichtbar), da werden die Menschen anderswohin gehen. – Wie mir scheint: Zu recht, denn Konkurrenz belebt das Geschäft. Paulus schon sprach ja vom Wettkampf, vom Laufen in der Bahn, vom Siegeskranz, den es zu erringen gilt. – Und Kooperationen zwischen Gemeinden usw. werden mehr und mehr ad-hoc nötig und normal. Paulus hat gepflanzt, Apollos hat begossen… Wie in Korinth.
Meines Erachtens kommt es auf die beiden Brennpunkte an: Nah bei Christus, nah bei den Menschen. – Eine Kugel unter Druck wird zur Ellipse: Jeder Punkt ist von den beiden Brennpunkten gleich weit entfernt. Nachfolge meint dann, dass wir von Christus und den Menschen angezogen und auf unserer Bahn gehalten werden. Eine Gemeinde, die traditionell wird, und macht, was sie immer gemacht hat, also Christentum als Dienst nach Vorschrift, entfernt sich von mindestens einem Brennpunkt.
Wie halte ich es mit der Gemeinde/Kirche?
Ich bin da. Aber ich habe erkannt, wie die Konstellation ist. Wie wenig ich bei der strukturellen und personellen Lage auszurichten im Stande bin. Also verlege ich mich neben einigen Hauskreisen vor allem aufs Beten für anstelle des Tuns in Gemeinde. Das änderte sich – Änderungen des Status Quo vorausgesetzt – umgehend. Eine Alternative, in der ich mit meinem eigenen theologischen Denken und meiner menschlichen Art passte, sehe ich derzeit nicht. Also bietet sich kein Gemeinde- oder Kirchenwechsel an. Das brächte keine Besserung. Glücklich bin ich aber nicht. Ich leide, weil es meiner Kirche und meiner Gemeinde nicht gut geht. Und weil ich keine rechte Möglichkeit sehe, wie ich das ändern könnte. – Ich traue das Gott aber sehr wohl zu, weshalb ich weiter bete für die Kirche und Gemeinde.
In Hauskreisen usw. bin ich aktiv. Vieles tue ich, aber mehr, um Gottes Reich voran zu bringen als die Kirche oder Gemeinde. Dort hoffe ich, und trete zugleich auf die Bremse. – So versteht sich auch dieses Projekt www.nachfolge-postmodern.de… – Als ein Umparken im Kopf oder ein Umsteuern. Damit wir nicht gegen die Wand prallen.
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