Viele kleine Segelboote kann eine Person bedienen und somit alleine segeln. Man spricht (weniger bei den kleinen Booten, sondern mehr bei denen, die etwa Weltumselgelungen angehen) gerne von Einhand-Booten. Das stammt vom englischen One-Hand (eine Person), zwei Hände an der einen Person machen das Segeln zumindest deutlich einfacher, wenn nicht überhaupt erst möglich.
Bei großen Pötten (ob nun so ein Segelschulschiff oder ein 450 m langer Tanker) braucht es eine gut ausgebildete Gruppe von Menschen, um das Schiff zu fahren. Ein Kapitän kann nicht zugleich im Maschinenraum stehen. Ein Steuermann kann nicht gleichzeitig die Segel an den Rahen setzen. Nebenbei bemerkt: Wenn ein kleines Boot wendig ist, erfordert das schon recht sportlichen Einsatz der Besatzung, sei es nun nur ein Segler oder eine Crew. Wer bei einer Halse (also einem Kurswechsel »vor dem Wind«) mal den Großbaum (fast) abbekommen hat (»Patenthalse«), weiß, wovon ich rede.
Auf einem großen Schiff müssen die Kurskorrekturen um so früher veranlasst werden: Alles dauert lange, und bis die Korrektur wirkt, ist der Eisberg leicht so dicht gekommen, dass ein »Treffer, versenkt« wie beim »Schiffe-Versenken« wirkt. – Auf der Karte wird anschließend ein Wrack eingetragen, hoffentliich werden Gefahrstoffe geborgen. Das gewesene Schiff ist Geschichte. Aus den Regularien für internationale Schifffahrt ergibt sich, dass ein 450 m langer Tanker nach maximal 9 km zum Stehen gekommen sein muss. – Das erfordert deutlich über eine halbe Stunde und ist nur möglich, wenn man den gesamten Antriebsstrang aufs Äußerste strapaziert.
Vom Schiff zur Gemeinde (und gesamten Kirche)
Vielfach ist die Sicht weiter die, dass quasi der Pastor (oder die Pastorin) als Hauptamtliche alles tun und bewegen möge. Allein: Das geht nicht. Für Tontechnik, Videoübertragung, Sendeton, zwei Kameras braucht es bei mir in der Gemeinde mindesterns vier Personen, dazu eine fünfte, die die Liedtexte projiziert. Besser wäre mindestens eine weitere, denn so muss eine Person Video-Umschalter und eine Kamera bedienen.
Wenn eine weniger da ist, oder z.B. niemand, der sich mit den Digitalmixern auskennt, kann der Gottesdienst schlimmstenfalls nicht stattfinden. Ganz zu schweigen vom Musikteam. In den Ferien ist das auch rar, und nicht jede Instrumentenkombination ist musikalisch sinnvoll. Wir merken: Selbst so ein Gottesdienst ist eher wie ein 450 m Tanker denn wie eine kleine Jolle anzusehen. Mit »mal eben« geht da fast nichts. – Und in vielen Funktionen kann man nur mit eingearbeiteten Leuten auf Kurs bleiben. Kann also nicht jemanden, der sich breitschlagen ließe, »mal eben« dienstverpflichten.
Die Lage:
Die meisten Kirchen treiben manövrierunfähig vor sich hin. Getrieben von einem gewissen Restvortrieb und auf Kollisionskurs: Zum Umsteuern fehlt längst die Kraft, es fehlen die Mitarbeitenden, das Geld. Vielleicht auch einfach der Wille: Die verbliebenen Gemeindeglieder sind vielfach so verliebt in das Bild, wie es mal war, dass sie nichts ändern wollten, selbst wenn sie könnten. Können aber können sie längst nicht mehr. – Sie können nur noch den Aufprall auf das Hindernis verfolgen.
Kirchen sind konzeptionell (mit ihren Gremien und Strukturen) so aufgestellt, dass sich möglichst wenig ändert, dass vor allem nichts schnell geht. Synoden, Konferenzen, Delegierte für viele Jahre, Mischung von Haupt- und Ehrenamtlichen usw. Agiles Management ist allenfalls dem Geist Gottes möglich. Allein: Der mischt sich leider länger schon nicht so aktiv ein, wie es wünschenswert wäre. Am wenigsten in Struktur- und Kursfragen.
Es wäre sehr viel erwartet, wenn von den Hauptamtlichen und Funktionären ein struktureller Rückbau (»vom Tanker zur Jolle«) erwartet würde. Sie lüden sich Proteste und Schwierigkeiten auf, die niemand möchte. – Also warten sie zu, wobei der Eisberg näher rückt, auf den zu der Kurs führt. – Vielleicht hoffen einige, bis zum Zusammenstoß im Ruhestand zu sein. … Oder man rechnet mit einem Eingreifen Gottes im letzten Augenblick. Das kann ich nicht ausschließen, und ich möchte es nicht. – Ich erlaube mir nur die Frage: Was, wenn Gott nicht eingreift? – Wozu sind wir denn als Mitarbeitende eingesetzt? Wozu haben wir unsere Fähigkeiten und Fertigkeiten und unseren Verstand?
Wenn sich also keine Crew findet…?
Dann kann man keinen Tanker fahren und auch keine Segelschulschiff, keinen Großsegler. Dann bleiben kleinere und bedeutend flexiblere Einheiten. Boote gibt es für zwei oder einige wenige Leute als Crew oder Team. Für einen Gemeindebetrieb reicht das eher nicht. Aber: Warum sollte es denn nicht eine Hausgemeinde oder ein Hauskreis sein? Eine Zweierschaft oder was auch immer für Modelle und Konstruktionen sich da finden lassen. – Wir müssen uns nur bewusst machen, dass selbst der Rückbau einer Kirche eine Herkulesaufgabe ist. Das ist wie ein Kernkraftwerk: Es erfordert hohe Kunstfertigkeit und ein gerütteltes Maß an Sachverstand, dass es dabei nicht zum Meltdown respektive zur Kernschmelze kommt.
Einmal angenommen, es müssten bei mir in der Gemeinde (a) die Videoübertragungen kurzfristig abgesagt werden, weil es an Technik-Crew fehlte: Wäre das so schlimm? Einige wären unglücklich. Aber: Es wäre weder das Ende des Abendlands, noch das der Kirche. – Und wenn wir den Super-GAU an die Wand malen: (b) Wenn mangels funktionierenden Musikteams oder verfügbaren Beschallungstechnikers der Gottesdienst als solcher abgesagt oder ausgesetzt werden müsste, dann würde eine andere Art-und-Weise gefunden. Und zwar vermutlich binnen einer Woche. Anders würde manches. Auch dies wäre kein Weltuntergang.
Ein ungeliebter Gedanke: Kirchen landen (wie Schiffe) nach Außerdienststellung in der Verschrottung…
Kirchen sind ein Mittel zum Zweck, nämlich dazu, die Botschaft von Gottes Reich, das er in Christus auszurichten begonnen hat, zu verkündigen. Sie haben keinen anderen Zweck als diesen. Wie unbrauchbar gewordene Schiffe zu nichts mehr nütze sind als zur Verwertung, so ist es auch mit Kirchen. So viele Kirchen sind inzwischen ausgestorben und nicht mehr vorhanden. Warum sollte das mit unseren Kirchen anders sein? Lifecycle-Management nennt man das, wenn es darum geht, dass etwas der letzte Schrei ist, topmodern, wenn nicht seiner/ihrer Zeit voraus. Irgendwann ist eine Kirche dann auf der Höhe der Zeit angekommen. Dann kommt sie in ein etwas behäbiges Alter, erscheint schon etwas überholt. Und irgendwann ist es dann Zeit, die Planken oder Bleche anderswo wieder zu verwerten.
Ich frage mich, wann es so weit ist bei unseren lutherischen, reformierten, unierten, methodistischen, baptistischen oder pfingstlerischen Kirchen. – Ein Kriterium ist, ob die Kirchen den Untiefen und Eisbergen auszuweichen wissen, ob sie ihr Ziel anpeilen und Kurs halten können. Wenn sie bloß noch still im Triebe gehen, dann ist Triebsteuerung sicher nicht das, was man sich für eine Kirche wünscht, nicht einmal für die römisch-katholische.
Neueste Kommentare