Die geistliche Übung des Studierens ist aus der Mode gekommen. Paulus schreibt im Phil.4,8: »…was ehrbar, was gerecht, was rein, was lieblich, was wohlautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denket nach!« – Selbst habe ich für diesen Blogartikel etwas länger gebraucht, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen habe ich gerade einen deutlichen Wechsel meiner Arbeit hinter mir, daraus folgt Einarbeitung usw. Der Geist ist einfach mit den täglichen Dingen befasst. Zum anderen ist mir am Studieren, mit dem Richard Foster seinen ersten Teil (»Übungen für das innere Leben«) aus Nachfolge feinern abschließt, sehr viel gelegen. Ich möchte es nicht so oberflächlich machen, sondern etwas von meiner Begeisterung soll sich auch bei der Lektüre erschließen.
Ja, es gibt die Fachwissenschaft der Theologie, aber auch die ist bei frommen Menschen wenig angesehen. Zum Gottesdienst zu gehen, zu spenden, das ist deutlich beliebter, als sich intensiv mit geistlichen Texten oder Themen zu befassen.– Viel mehr Menschen beten, singen, meditieren, fasten vielleicht. Hier geht es nicht um ein universitäres Studium, zumindest nicht in erster Linie. Vielmehr geht es um eine geistliche Übung, weniger um eine akademische.
Was kann ich studieren (als geistliche Übung)?
Studieren können wir ganz verschiedene Gegenstände: Objekte der Welt, wie etwa Pflanzen oder Tiere, Mineralien, geistige Themen (etwa solche der Mathematik und Logik), der Sprache (Texte und Themen der Grammatik, Poetik usw.) – Viele denken an biblische Bücher oder »Klassiker« der christlichen Literatur. Vielleicht Augustins Bekenntnisse oder Luthers »Von der Freiheit eines Christenmenschen« oder Bonhoeffers »Nachfolge«.
Richard Foster unterscheidet deutlich zwischen der Meditation, die (z.B. ein biblisches Wort) auf uns wirken lässt. Die Übung des Studierens möchte erklären. Beides sind unterschiedliche Erfahrungsweisen. Klar ist: Studieren erfordert Zeit und Konzentration. Wenn wir also zu dem Wunsch gelangen, ein biblisches Buch, einen der christlichen Klassiker oder etwas anderes studieren zu wollen, so sollten wir uns überlegen, wann und wie wir diese Konzentration und Zeit aufbringen können.
Die Frage ist, ob wir studieren wollen. Wenn wir uns notgedrungen darauf einlassen, weil es jemand uns nahelegt, ein Freund, die Pastorin oder wer auch immer, dann wird das nichts werden, wenn wir nicht selbst wollen. Denn zu studieren, das ist mit Mühe verbunden. Gerade zu Beginn fällt es keineswegs leicht. An diesen Anfängen bleiben viele hängen und kommen nicht weiter. Sie geben es bald auf, weil sie merken, wie schwer es ihnen fällt. Aller Anfang ist schwierig. Klar. Aber: Bei einer konzentrierten Tätigkeit, mit der wir keine Erfahrungen haben und auf große Unsicherheiten treffen, bei so etwas ist fast absehbar, dass man frustriert aufgibt – es sei denn, uns liegt die Sache selbst am Herzen. Einen langen Atem und Frustrationstoleranz helfen in jedem Fall.
Studieren ist höchst individuell
Anders als bei Kursen oder Lehrgängen geben beim Studieren wir den Inhalt vor. Wir können durchaus einen Kurs in unser Lernprogramm aufnehmen. Aber: Jede und jeder ist höchst individuell im Ziel, das wir verfolgen. Das ist so, weil unsere Christus-Nachfolge sehr individuell ist. Wir haben andere Wege und Ziele als jemand, der auch auf Gottes Reich zugeht, aber anderswo startet.
Entweder reservieren wir regelmäßige fest Zeiten für das Studium. Etwa so, dass wir im Kalender an jedem Donnerstag abends von 18 – 22 Uhr eintragen: Termin mit Luthers Freiheit eines Christenmenschen. Wir suchen uns einen ruhigen Ort, an unserem Schreibtisch, vielleicht auch in der Arbeitsstelle, wenn wir dort abends ungestört sind, haben ein Notizheft und den Text vor uns und lesen mit dem Interesse zu verstehen, was da gedacht wird. Es geht ums Nachvollziehen der Gedanken eines anderen aus der Vergangenheit. Vielleicht müssen wir ein Begriffswörterbuch oder Wikipedia bemühen, wenn wir anfangs vieles nicht verstehen. Es geht nicht darum, dass wir inspiriert werden, sondern darum, dass wir jemandem detailliert beschreiben können, was Luther da im Text darstellt. Die Gedanken eines anderen nachzuzeichnen, das setzt voraus, dass wir sie nach-denken. – Erst dann, wenn wir das können, sollten wir die Gedanken Luthers beurteilen und in Verbindung setzen mit unseren eigenen Gedanken zum selben Thema. Krtische Würdigung kann man das nennen. Die Frage ist: Wenn wir zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen: Woran mag das liegen?
Auszeit vom Alltag
Bewährt hat sich auch, eine kurze Auszeit vom Alltag, etwa ein Wochenende, bei dem wir wegfahren. Nicht zelten, denn dann haben wir zu viel mit dem Alltag zu tun. Besser ist eine kleine Pension, in der wir Frühstück und Abendessen bekommen, unser Bett und einen Tisch haben. Dann können wir draußen spazieren gehen, uns einen Platz zum Lesen suchen. Den Text, um den es gehen soll, haben wir dabei, gleich ob als Buch oder als E‑Book, auf dem Tablet oder wie auch immer. In drei Tagen »Urlaub vom Alltag« können wir viel über Gott und uns erkennen, gerade dann, wenn wir uns mit einem guten Text befassen. Es darf auch etwas sein, dass wir für die Arbeit in der Gemeinde brauchen. Wenn dort ein Programm zur Gemeindeentwicklung anlaufen soll, so können wir ein oder zwei Bücher zum Thema an so einem Wochenende bearbeiten und sind so sehr viel besser vorbereitet als mit einem kurzen Impulsreferat.
Die größeren biblischen Bücher eignen sich vollumfänglich kaum für Hauskreise usw. Warum aber sollten wir nicht einmal einen Abend pro Woche darauf verwenden, das neue an der Schuld- und Sühnetheologie des Ezechielmit dem Buch und einem oder zwei guten Kommentaren uns zu erarbeiten? Ich wage zu behaupten, dass uns solche Studien viel weiter bringen können als eine Predigt oder ähnliches. Weil wir selbst beim Studieren mitdenken müssen und das über längere Zeit. Wir brauchen intrinsische Motivation. Wenn wir die aber haben, weil wir einen Zugang zu unserem Thema gefunden haben, dann setzt Studieren Endorphine und Flow frei. Wir fühlen uns wie ein Langstreckenläufer, der meint, ewig weiterlaufen zu können.
Geistliches Studieren…
Wenn und weil wir wissen, dass es um eine geistliche Übung geht, dann ist es eine gute Praxis, Gott vor dem Studieren zu bitten, dass er uns zeigen und sagen möge, was er für uns im Buch vorbereitet hat. – Und wenn wir den Studientag oder ‑abend beenden, dann sollten wir ihm danken. Ja, es ist eine innere Antriebskraft, die uns zum Studieren drängt. Aber es ist Gott, der unser Innerstes kennt und gemacht hat. Weisheit und Erkenntnis ist nicht ohne Gottesfurcht denkbar (Sprüche 1,7):
»Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis; die Narren verachten Weisheit und Unterweisung.«
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