Geistliches Fasten ist völlig aus der Mode gekommen. Bei Jesu Jüngern und den anderen Menschen der Zeit vor 2.000 Jahren war das Wissen um das Fasten und auch die Praxis selbst weitgehend selbstverständlich. John Wesley weiterte sich, Menschen zu methodistischen Geistlichenen zu ordinieren, die nicht zweimal wöchentlich fasteten. Diese Praxis der Didache, einer alten Kirchenordnung, mittwochs und freitags auf Nahrung zu verzichten, empfanden viele als heilsam und segensreich.
Wie bei allen Traditionen droht eine Sinnentleerung, wenn es den einzelnen Menschen nicht um die Beziehungspflege mit Gott geht. Wenn jemand fasten muss, weil das immer so war, ist das in der Moderne kein Argument. So ist es aus der Mode gekommen, da es vielen nichts mehr bedeutete. In den meisten Fällen ist das Fasten eine persönliche Angelegenheit zwischen dem Einzelnen und Gott. Es ist eine Übung, aber keineswegs ein Gebot. Zu Beginn der Bergpredigt stellt Jesus das Fasten in einen direkten Zusammenhang mit dem Geben und dem Gebet. Das Beten ist die Tätigkeit, die beim Fasten an die Stelle des Essens tritt. Und wenn Jesus sagt: »Wenn ihr fastet…«, dann geht er davon aus, dass es nur noch einiger praktischer Hinweise bedarf: Fasten werden die Menschen schon, es wird vorausgesetzt.
Heute ist den meisten das Fasten fremd, und einige andere betonen es, als wäre es quasi unverzichtbar. – Ich ermutige meine Leserinnen und Leser, selbst zu prüfen, ob die Übung des Fastens eine Bereicherung der eigenen Nachfolge bilden kann oder nicht.
Dabei gibt es unterschiedliche Modelle, wie gefastet wurde und wird. Welche Formen für wen passen, das bleibt den Einzelnen überlassen. Einige empfehlen, zu Beginn einen Tag lang auf feste Nahrung zu verzichten. Ob man mittags beginnt (nach einem leichten Essen) oder am Abend: Für 24 Stunden wird nur getrunken, am besten Wasser. Einige nehmen etwas Saft hinzu. Das kann man für einige Wochen einüben, am besten je am selben Wochentag. – Wenn man sich dran gewöhnt hat, und das ohne große Einschränkungen geht, kann man einen Rhythmus auf einen oder zwei Tage pro Woche festlegen, sofern das nicht den Familienfrieden stört oder soziale Kontakte behindert. Es ist eine gute Praxis, mit anderen (Freunden und Gästen) gemeinsam zu essen. Und: Beim Fasten geht es gerade nicht darum, dass wir etwas zur Schau stellen, sondern dass wir unsere Beziehung zu Gott pflegen. Also sollten nur die etwas davon mitgekommen, dass wir fasten, die es unbedingt wissen müssen (etwa in der Familie).
Die andere Möglichkeit besteht in bestimmten Fastenzeiten, mehreren Tagen oder einer Woche, in denen wir auf feste Nahrung verzichten. Das muss geübt werden, wir sollten nicht einen Marathonlauf wagen, wenn wir nicht vorher regelmäßig trainieren. Praktische Hinweise zur Vorbereitung auf eine Fastenzeit und auch auf das Fastenbrechen finden sich etwa im Buch »Nachfolge feiern« von Richard Foster. – Zu beachten ist auch, dass sich Fasten aus medizinischen Gründen nicht für alle anbietet. Im Zweifel sind Ärzte zu befragen.
Fasten ist kein Mittel, Gott zu manipulieren, ihm quasi unseren Willen aufzuzwingen. Vielmehr geht es darum, dass wir unseren Alltag unterbrechen, damit Gott bei uns zum Zuge kommt. Zu essen ist alltäglich, wir brauchen regelmäßig Nahrung. Aber es ist nicht so, dass wir nicht einmal für einen oder mehrere Tage auf die feste Nahrung verzichten könnten. Ob es für einen Christenmenschen dran ist zu fasten, das ist eine Frage an Gott. Es ist ähnlich wie mit dem Geben von Gaben für die Gemeinde: Auch das ist eine Sache, die Gott uns anvertraut. Niemand ist gezwungen. Und doch: Es ist quasi gute Praxis, Beiträge zu geben. Wie sollte sonst die Gemeinde funktionieren? – Ist es in unserer Wohlstandsgesellschaft vielleicht auch einmal dran, auf Nahrung für einen Tage oder mehrere zu verzichten? Und zwar um Gottes Willen?
John Wesley, einer der Begründer der methodistischen Bewegung, äußerte sich einmal wie folgt: »Tut das Fasten dem Herrn, indem ihr die Augen dabei nur auf ihn richtet. Lasst dies und nur dies euren Beweggrund sein, euren Vater im Himmel zu preisen.« Es geht um Gott und nicht darum, dass er uns ein Wohlgefühl, Segen, Gebetserhörung oder was auch immer gibt.
Herzliche Einladung an alle Christenmenschen, diese vergessene und leicht verschüttete Praxis, die so viel Segen brachte, wieder neu zu entdecken und in die eigene Nachfolgepraxis einzubauen. Wir können nur gewinnen, als einzelne Menschen, aber auch als Gemeinden und Kirchen.
Neueste Kommentare