Diesr Beitrag gehört zu einer Reihe von Beiträgen zu geistlichen Übungen, die in ihrer Gliederung dem Inhaltsverzeichnis des klassischen Buches »Nachfolge feiern. Geistliche Übungen neu entdeckt« von Richard Foster folgt. Seit einigen Jahren ist dieses Buch im SCM-Verlag wieder neu aufgelegt. Dieser Beitrag ist der dritte in einer Reihe von Texten.
Gebet
Dass Gebet wichtig ist, wird kaum ein Christenmensch bestreiten. Dennoch kommt Gebet kaum vor im Leben von Christenmenschen und auch im Leben von Gemeinden. Wenn wir uns das Programm christlicher Verlage ansehen, so erscheint das Thema »Gebet« zwar vorzukommen, aber im Vergleich zu »Entscheidung für Christus« und »Ehe und Familie« doch offenbar eher nachgeordnet.
Foster greift das Thema auf als eng in Beziehung stehend mit der Mediation. Fasten kann helfen, Meditation führt ein in das Leben in der Gegenwart und Nähe Gottes. Gebet aber bedeute massive Veränderung.
Veränderung
Das klassische Bild oder Verständnis von Gebet ist: Wir sagen Gott, was wir uns wünschen. Die Metapher ist: Gott als Kaugummiautomat. Oben stecken wir unser Gebet hinein, unten bekommen wir unsere Wünsche erfüllt. Eine Karrikatur bildeten einige Beispiele aus der evangelikalen Rechten und TV-Predigt-Szene in den USA im Trump-Wahlkampf. – Das ist leider grober Unfug. Die Veränderung besteht eben nicht darin, dass Gott unsere Welt verändere, wie sie uns gefällt. Vielmehr liegt die Veränderung darin, dass wir Jesus ähnlicher werden. Dass wir die Menschen, die Welt, die Poitik und alles mehr und mehr so ansehen wie Gott. Die Veränderung besteht in der neuen Blickrichtung. In Markus 1,35 heißt es: »Und des Morgens vor Tage stand er auf und ging hinaus. Und er ging an eine einsame Stätte und betete daselbst.«
Dann, wenn wir die Menschen, die Verhältnisse und alles andere mit Gottes Augen sehen, dann können wir sie verändern. Das geht durch die hilfreiche Tat, durch ein gutes Wort, durch unser Dasein für andere. Aber: Es geht daneben und darüber hinaus viel mit dem Gebet. Und insofern geht es eben nicht nur darum, dass sich unsere Sicht ändert. Foster schreibt, dass dies eher epikuräische Philosophie wäre. Es gehe schon um mehr als nur unsere Perspektive. – Bloß ist die Perspektive Gottes die Voraussetzung für Liebe und Erbarmen, für Mitgefühl. – Und das ist es eben gerade nicht, was die Trumpisten auf der Agenda hatten.
Gott lässt uns mitwirken an der und in der Welt. Durch unser Tun, durch unsere Bitte. Ich bin davon überzeugt, dass Gott Gebet nicht allein hört, sondern auch erhört. Aber eben nicht im Sinne eines Kaugummiautomaten, aus dfem ich erfüllte Wünsche herauszöge.
Gebet setzt voraus, dass eine enge Bindung zu Gott besteht. – Warum sonst sollte ich mit ihm reden? Warum sonst sollte ich auf ihn hören oder mit Gottes Augen die Welt ansehen? – Auch in frommen Kreisen, in Gemeinden usw. treffe ich viele, die Glauben eher für die Zustimmung zu bestimmten Glaubenssätzen halten als für ein Beziehungsgeschehen. Also befasst man sich entsprechend mit klassischen Glaubenssätzen, mit dem Nachvollziehen, wie Dreieinigkeit oder Sühnopfer-Theologie funktionieren. Das alles kann man machen. Ich meine nur, dass es beim Glauben um etwas anderes geht: Um Beziehung. Und die einzuüben, das ist eine ganz andere Art von Übung.
Der Photograph Henri Cartier-Bresson soll gesagt haben, dass seine ersten 100.000 Photos die schlechtesten waren. Vieles im Leben lernen wir durch Praxis. Auch zu beten erfordert Übung, Zeit und leichte Variationen. Sicher gibt es Praxen, die den Einstieg erleichtern können. Dazu nennt Foster einige Beispiele, die ich nicht wiederholen möchte. Die, die diese Seite besuchen, werden vermutlich über die Anfänge hinaus sein. – Und gerade uns fortgeschrittenen Betenden empfehle ich, über unsere Praxen nachzudenken: Was gelingt, was macht uns zufrieden, wo erleben wir Gottes Führung? Wo sind wir bei uns, wenn wir eigentlich auf Gott hören möchten? – Vielleicht wäre es an diesen Punkten dran, dass wir etwas ändern und dazu damit beginnen, Gott zu bitten, dass er uns zeigen möge, was zu ändern ist.
Mir geht es so – und das höre ich auch von anderen, denen das Gebet etwas bedeutet, dass sie, einmal begonnen, die Zeit sehr wertschätzen. Es sei aber nicht einfach einen Anfang zu finden. In einer Gemeinde, in der ich früher wohnte und mitarbeitete, gab es jeweils dienstags abends das Gemeindegebet. Keine besondere Sache, aber es war so ein Anlass, mit dem Gebet zu beginnen. Es erleichtete den Einstieg.
In den Gruppen und Kreisen, die sich mit der Nachfolge befassen, geht es um ganz unterschiedliche Dinge. Sicher ist auch der Austausch miteinander für einen Hauskreis wichtig. Es ist wichtig, etwas besser zu begreifen durch das Nachdenken etwa über einen biblischen Text. Aber: Es ist jeweils auch ein Anlass, miteinander zu beten. – Ich erlebe, dass das per Videokonferenz besonders schwierig ist.
Gemeinsames Gebet ist gut, aber es ist quasi die Sahnehaube. Den Alltag und die Grundlage für alles Beten miteinander bildet mein Austausch mit Gott, mein Hören, mein Interesse an einer Beziehung mit Gott, meine Neugier auf seine Perspektive.
Erschöpfende Bearbeitung unmöglich…
Während ich hier übers Gebet schreibe, merke ich sehr deutlich, wie viel mehr Gebet zu leben ist. Ja, es lässt sich drüber schreiben und sprechen. Im Kern aber ist das, wie das Sprechen über die Farbe gegenüber jemandem, der blind ist. – Es wird vielleicht und bestenfalls meine Begeisterung teils deutlich. Nachvollziehbar aber wird nicht, was ich schreibe respektive sage. Bei denen, die erste Schritte im Beten gegangen sind, ermutige ich sehr, zweite und dritte Schritte zu gehen.
Mir kommt es so vor, als wäre Gebet eher wie das Gitarrelernen denn wie das Geigelernen. Bei Geigen ist der Anfang außerordentlich schwierig, weil die Technik auf einmal in vielerlei Hinsicht herausfordert. Insbesondere hinsichtlich der Intonation. – Beim Gitarrenspiel ist der Anfang verhältnismäßig einfach. Es gibt ja Bundstäbchen, die die Intonation einigermaßen sicherstellen. – Also braucht es bloß einigermaßen sortierte Finger. Jedoch ist es so, dass die Herausforderung beim Gitarrenspiel deutlich später zuschlägt. Spätestens dann, wenn es um Stimmführung geht, um eine Art pianistischen Spiels mit nur sechs Saiten und zwei Händen, die teils beide für die Tonbildung eines Tons benötigt werden.
Beim Beten ist der Anfang relativ einfach. – Und dann bleiben die meisten stehen. Hier gilt es, den toten Punkt zu überwinden. Freiheit und Flexibilität mögen mit dem Beten eines Psalms oder des Vater Unsers beginnen, aber da ist noch lange nicht Schluss. Beziehungen müssen wachsen, anders haben sie keinen Bestand. Gebet ist eines der Gnadenmittel, die Gott uns gewährt.
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