Vieles müssen wir als Menschen im Laufe unseres Lebens lernen. Die Ausbildungszeiten steigen, weil die Welt, in der wir leben, immer komplizierter wird. Über all den neuen Techniken und Fertigkeiten haben wir bisweilen ältere Kulturtechniken verlernt bzw. nicht mehr geübt. Viele können heute nicht mehr ihr eigenes Brot backen – früher mal selbstverständlich. Usw. Insbesondere fällt mir dies aber auch bei den so genannten geistlichen Übungen auf. Also bei den kulturellen Praxen, die uns helfen, besser als Christenmenschen zu leben. Nachfolge nämlich lässt sich auch einüben.
Christ zu werden, das ist ein erster Schritt, vielleicht auch der Abschluss eines längeren Weges und Prozesses. Irgendwann bezeichnen und verstehen wir uns dann als Christin oder Christ. So weit, so gut. Die Frage – und hoffentlich nicht nur bei Methodisten – ist: Was kommt dann? Wie geht es weiter? Wie kann ich als Nachfolger/in Christi Leben? Wie kann Gott in meinem Leben mehr und mehr Gestalt gewinnen?
Der Auftakt…
John Wesley hat seinen Anhängern oder besser: Denen, die auf seine Predigten bewegt reagierten, empfohlen, die Allgemeinen Regeln (»common rules«) zu beachten. Es sind nur drei (die teils einige Beispiele benennen):
- Nichts Böses tun, sondern Böses aller Art meiden, besonders solche Sünden, welche am meisten verübt werden,…
- Dadurch, dass sie Gutes tun; in jeder Hinsicht nach ihrem Vermögen sich barmherzig erwei- sen und bei jeder Gelegenheit Gutes aller Art, soweit die Kräfte reichen, allen Menschen erzeigen…
- Durch den Gebrauch aller von Gott verordneten Gnadenmittel, als da sind…
Bei den Gnadenmitteln sind wir bei dem, was in seinem Buch »Nachfolge feiern. Geistliche Übungen neu entdeckt« Richard Foster als geistliche Übungen bezeichnet und ausführt (Originaltitel: »Celebration of Discipline«, New York 1978 – die alte Ausgabe auf dem Photo oben ist von 1988). Meine These: Diese sind weitgehend in Vergessenheit geraten. Auch solche, die als Christenmenschen leben möchten, kennen immer weniger die Mittel und Wege.
Sport und Musik als Vergleichspunkte:
Wenn ich Sport treibe, ist es wichtig, dass ich trainiere. Dass ich also systematisch und regelmäßig das tue, was mich weiterbringt. Nicht das, was andere weiterbringt. Ich soll und will mich ja nicht überfordern. Sport braucht einen Trainingsplan. Hilfreich ist es aber auch, gemeinsam mit anderen zu trainieren. Beim Teamsport (etwa Volleyball) ist klar: Allein kann ich bestimmte Vorübungen machen, kann zu laufen trainieren. Aber: Nur mit dem Team wird es Volleyball.
Wenn ich Jazz-Gitarre in einem Bandzusammenhang spiele (oder Geige in einem Orchester), dann wird es sicher helfen, wenn ich meien Technik übe, Skalen und Arpeggien, wenn ich (als Jazzer) II-V-I-Verbindungen in allen Variationen trainiere. Aber: Zusammenspiel, gerade auch, dass ich beitrage, was gebraucht wird, das kann ich nur mit den anderen gemeinsam einüben. Also braucht es Proben mit den jeweils anderen.
Richard Foster gliedert sein Buch in drei große Teile (nach einer knappen allgemeinen Einleitung). Er nennt die Nachfolge, den geistlichen Wandel in uns eine Wirkung Gottes, die wir nicht machen können, die wir aber fördern können. Dazu eben dienen die geistlichen Übungen. Wir sollten uns dabei hüten, aus diesen Übungen Gesetze zu machen, denn das sind sie nicht und können sie nicht werden.
In einer Reihe von Beiträgen in diesem Blog möchte ich zu einzelnen geistlichen Übungen etwas schreiben. Das stimmt nicht in allem mit dem überein, was Richard Forster vor rund fünfzig Jahren geschrieben hat. Der Einfachheit halber übernehme ich aber seine Gliederung.
Übungen für das innere Leben
- Meditation
- Gebet
- Fasten
- Studieren
nennt Richard Foster hier. – In folgenden Beiträgen schreibe ich zu jedem dieser Stichworte etwas, sicher angeregt durch Foster, aber vor allem auch aus meiner Praxis.
Übungen für das äußere Leben
- einfaches Leben
- Einsamkeit
- Unterordnung
- Dienen
Auch zu diesen Stichworten möchte ich hier etwas schreiben. Ein großes Programm, aber es wird kein Buch!
Übungen für das Leben in der Gemeinschaft
- Beichte
- Anbetung
- Geführtwerden
- Feiern
Zu dieser Kategorie der Übungen für das Leben in der Gemeinschaft stellt sich auch die Frage neu, die heir bereits öfters angesprochen ist: Inwiefern bedarf meine Nachfolge der anderen Christenmenschen? Braucht Gott mich für sie und sie für mich? Können wir nicht alle als Säulenheilige ohne Gemeinschaft möglicherweise besser mit Gott leben?
Immer wieder einmal habe ich in Hauskreisen mit Jugendlichen und Erwachsenen zu diesen Stichworten nachgedacht und auch heute geht es damit gleich per Zoom-Konferenz mit einem Jugendhauskreis weiter zu einem der Punkte. Mir scheint, dass wir gerne als Christenmenschen leben möchten, aber eben nicht recht wissen, wie das denn nun geht, dass wir Nachfolge leben und gestalten. – Dazu dienen die geistlichen Übungen. Und hier komme ich zurück zu John Wesley: Es handelt sich, recht verstanden, um Gnadenmitteln, um Werkzeuge, die unser Christenleben erleichtern und uns helfen, mehr und mehr zu Gott hin zu wachsen.
Wenn wir so vieles heute lernen müssen, sei es Cloud-Computing oder der Umgang mit der DSGVO, dann spricht meines Erachtens gar nichts dagegen, dass wir auch ganz grundsätzliche Techniken gelebter Nachfolge einüben und pflegen. Nicht nur Betriebssysteme und Software bedürfen regelmäßiger Updates. Das Stichwort vom lebenslangen Lernen macht sich überall breit. Warum also tun wir so, als kämen wir mit dem kleinen 1x1 aus dem Konfirmationsunterricht bis zum Ende unseres Christenlebens aus?
Neueste Kommentare