Die klassische Zwei-Reiche-Lehre trennt die Bereiche, in denen die Kirche wirkt (das Reich Gottes, das durch Wort und Sakrament gebaut wird) und die des Staates (die Ordnung, in der etwa die Kirche ihre Sendung leben kann, die ermöglicht die staatliche Ordnung). Zu den Bereichen des Staates gehört insbesondere die äußere Sicherheit (Verteidigung) und das Polizeiwesen.
Beide Regimente sind verschieden, wirken aber in je ihrem Bereich für Gott. Klar ist: Luther und die anderen Reformatoren denken die Herrscher stets als Christen (in welchem Sinne genau, das zu untersuchen sprengte hier den Rahmen). Heute gibt es in Zeiten der Einschränkungen, die Kirchen aufgrund des Infektionsschutzes haben, auch solche Menschen in den Kirchen, die es als unangemessen empfinden, dass sich staatliche Stellen in kirchliche Belange einmischen. Diese Töne höre ich aus dem konservativen katholischen Lager ebenso wie aus Freikirchen, bei denen einigen der Staat zu weitgehend eingreift…
Ist das so? Ist es nicht ganz anders? Ganz vieles ist doch eine gemischte Angelegenheit. Wir möchten doch auch, dass etwa die Sicherheit der Gebäude auch in Kirchen sichergestellt sind. Im »Staat der Glaubensfreiheit« ist klar: Die selben Regeln für Sicherheit und Fluchtwege usw. gelten für Moscheen, Synagogen und Kirchen. Andere Angelegenheiten regeln die Gemeinden selbst, klar. Gottesdienste bleiben innerkirchliche Angelegenheiten. Andererseits ist der Infektionsschutz eine staatliche Aufgabe. Beides kommt zusammen in diesen Zeiten. Das bietet – etwa auch beim Dialog mit den staatlichen Stellen (Gesundheitsamt etc.) Chancen zur Verständigung. Denn die staatlichen Stellen brauchen die Unterstützung, nicht allein der Parteien, Gewerkschaften, Vereine, sondern eben auch der Religionsgemeinschaften. Wie sonst sollte der Staat seine Ziele erfolgreich verfolgen? Ohne den Rückhalt in der Bevölkerung ist das (zunehmend) schwierig.
Andererseits ist klar, dass auch gegenüber dem Staat die Kirchen und Religionsgemeinschaften ein Mandat haben. Ethik nämlich macht politisch schnell an den je eigenen Grenzen Halt. – Dass da viele Menschen im Mittelmeer ertrinken, ist etwas, das sich politisch vielleicht ausblenden lässt, ethisch aber keinesfalls.
Als der Prophet Natan dem David ins Gewissen redete, da tat das Not, es war not-wendig! Wenn sich Kirchen uns Religionsgemeinschaften raushalten, weil sie meinen, dass der Staat ein weltliches Ding sei, dann bleiben sie hinter Gottes Auftrag, eben auch prophetisch zu reden, zurück. Ich erinnere an Kardinal von Galen im so genannten 3. Reich, der zumindest Beschränkungen der Ermordung Behinderter hat erreichen können. Wenn mehr ihre Stimme erhoben hätten, wäre manches Unheil nicht geschehen.
Amos, Micha, Jesaja und Jeremia sind nicht allein mit dem Anspruch, ein konkretes Wort Gottes (Prophetenformel: »So spricht der HERR«) an die politischen Machthaber zu richten: Die nämlich haben ihre Macht nur auf Zeit von Gott zu treuen Händen erhalten.
Es ist also legitim, dass sich die Menschen im Gemeinwesen, im Staat in der politischen Gemeinde oder dem Bundesland um Anliegen kümmern, und dass Christenmenschen (und auch die Angehörige anderer Weltanschauungsgemeinschaften) um teils gleiche und teils andere Anliegen kümmern. Wenn es gut geht, dann wirken sie gemeinsam je an ihrem Ort und mit ihren Mitteln. Dass Christenmenschen etwa als Mittel das Gebet gebrauchen, ist ebenso natürlich und sachgemäß, wie dass die politischen Organe andere, spezifische Mittel gebrauchen.
Sie kämpfen an unterschiedlichen Fronten, aber sie alle erstreben (hoffentlich) das Beste der Menschen.
Neueste Kommentare