In der Kirchenordnung der Evangelisch-methodistischen Kirche (Verfassung, Lehre und Ordnung der EmK) hierzulande ist vieles mir sympathisch. Etwa, dass diese regelmäßig durchgearbeitet wird — und es somit nicht — wie etwa bei den lutherischen Bekenntnisschriften — zu einer wachsenden Diskrepanz zwischen Bekenntnis einerseits und kirchlicher Praxis andererseits kommt.
Ich freue mich auch daran, dass diese Ordnung vergleichsweise knapp gehalten ist. Unter 400 Seiten inklusive weiter Teile der Organisation, das ist gut. Dabei ist die Grundlage (Bekenntnis usw.) unter 80 Seiten stark. Das können auch die lesen, die etwa darüber nachdenken, sich dieser Kirche anzuschließen, weil sie sichten, was es so an Kirchen gibt. Bei knapp 1.200 Seiten BSLK (Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche) ist das schon eher eine Zumutung, abgesehen davon, dass einige Texte maßgeblich in der lateinischen Fassung sind, und die deutsche Übersetzung bloß als Hilfe zu verstehen ist. Ganz abgesehen vom Satz in Fraktur, den manche jüngere Jünger/innen nicht mehr lesen können.
Als kategorisch unglücklich bis missglückt sehe ich aber die Trennung in Pastoren und Laien an, die sich durch die gesamte VLO zieht, zumindest durch die Teile jenseits der altkirchlichen Bekenntnisse usw.
In der röm.-kath. Tradition wird ja zwischen Laien (von laos, das Volk) einerseits und dem Klerus (geweihten Geistlichen, leitet sich von der altkirchlichen Abstimmung mit Tontäfelchen her vgl. Wikipedia) andererseits unterschieden. Die Kleriker leben zölibatär, verwenden ihr Leben auf den Dienst am Evangelium in Wort und Sakrament.
Die Reformation entdeckte das Motiv des »allgemeinen Priestertums aller Gläubigen«, und damit, dass alle Christen zum Dienst berufen sind, auch zum Weitersagen. Es gibt also keine kategorische Unterscheidung zwischen Pastoren und anderen, sondern einerseits eine funktionale und andererseits war es Luther wichtig, dass etwa die Sakramente in rechter Weise (recte) verwaltet werden. Dafür waren die Pastoren da.
Wenn in den (etwa lutherischen) Kirchen von Pastoren und Laien gesprochen wird, ist damit eigentlich gemeint: Von Haupt- und Ehrenamtlichen. (vgl. hierzu auch das Gespräch mit Cornelius Grohs im Podcast). Dass es auch andere Hauptamtliche gibt (etwa in der Kirchenmusik, als pädagogische oder verwaltende Mitarbeitende, als Juristinnen und Juristen, als Küsterinnen und Küster usw. ist unbenommen).
Es gibt sogar theologische Mitarbeitende, die nicht Pastor(inn)en sind. Um die Dinge vollständig zu verwirren: Seit einigen Jahren gibt es auch das Modell der Ordination ins Ehrenamt, das sind also Pastorinnen oder Pastoren, die ehrenamtlich, also unbezahlt, ihren Dienst versehen. — Es ist einzusehen, dass das alles schwierig zu begreifen und verwirrend ist. Es folgt aber einfach daraus, dass einerseits die Arbeit gemacht werden muss, andererseits die Welt eben nicht so einfach ist, wie das vielleicht zu Luthers Zeiten war.
In der Kirchenordnung der EmK ist es nun so, dass »pastorale Mitglieder« und »Laienmitglieder« etwa bei den Konferenzen (also den quasi »Synoden« bzw. dem Kirchenparlament) zahlengleich besetzt werden sollen, dass man versucht, eine gute Balance zwischen den Haupt- und den Ehrenamtlichen herzustellen. Und wenn eine kleine Kirche ganz groß in etwas ist, dann ist es die EmK bei den Gedanken an Vertretung, Delegation, an Beauftragungen für alles mögliche. Kurz: Das Modell der Connexio (dass also die Teile der Kirche verbunden ein Ganzes bilden) ist allenthalben zu finden.
Allein: Die strukturelle Trennung in Pastoren Laien ist in mehrfacher Hinsicht tückisch:
Aus Artikel 32, der Zusammensetzung der Jährlichen Konferenzen:
»Die Jährliche Konferenz besteht aus den pastoralen Mitgliedern und Laienmitgliedern. Zu den pastoralen Mitgliedern zählen Diakone und Älteste, Pastoren und Pastorinnen auf Probe, außerordentliche Mitglieder und Lokalpastoren/Lokalpastorinnen mit Dienstzuweisung. Zu den Laienmitgliedern gehören die durch die Bezirke gewählten Laienmitglieder, die diaconal ministers (dazu Fußnote), der Konferenzlaienführer/ die Konferenzlaienführerin, die Distriktslaienführer/ Distriktslaienführerinnen, der Konferenzsekretär/ die Konferenzsekretärin für Weltmission (sofern es sich um Laien handelt), der/die Verantwortliche für Laiendienste, die Leiter/ Leiterinnen des Frauenwerks (Fußnote), des Männerwerks (Fußnote), der Konferenzorganisation junger Erwachsener (Fußnote), des Konferenzjugendwerks, des Studierendenwerks (Fußnote), eine junge Person zwischen 12 und 17 Jahren und eine junge Person zwischen 18 und 30 Jahren von jedem Distrikt, die auf die von der Jährlichen Konferenz bestimmte Art gewählt werden.«
Am Ende dieses Artikels heißt es dann:
»Ist die Zahl der Laienmitglieder geringer als die der pastoralen Mitglieder der Jährlichen Konferenz, hat die Konferenz mit einer nach eigenem Ermessen zu beschließenden Regelung für die Wahl zusätzlicher Laienmitglieder zu sorgen, um die Parität herzustellen.«
Seit dem liguistic turn (also der Wende dazu die Sprache als Mittel unseres Denkens in den Blick zu nehmen) ist klar: Wie wir über die Gegenstände unseres Denkens reden, das bestimmt, was wir über sie sagen (können) und was eben auch nicht.
Klar ist, dass alles »inklusive« Formulieren, so beschwerlich das im Einzelfall auch sein mag, unser Denken mit prägt. Gerade auch dahingehend, ob unser Bild im Kopf nur Männer oder auch Frauen in den jeweiligen Rollen sieht. Aber nicht nur. Wenn jemand nördlich des Polarkreises ein Dutzend Begriffe für »weiß« zur Verfügung hat, dann deshalb, weil die Farbe des Schnees oder Eises eben relevant ist. — Anders als in unseren Breiten, wo der Klimawandel Motorrad-Saisonkennzeichen ad absurdum führt.
Wenn also nicht allein das »Sein« das Bewusstsein bestimmt, sondern auch das »Sprechen über« unser Bild der Welt prägt, dann ist es nicht trivial, ob es einen kategorischen Unterschied in der Kirchenordnung zwischen Pastoren und Laien gibt.
Pastor/inn/en (im Sinne der VLO eher »Älteste« und nicht »Lokalpastor/inn/en«, aber das sind Detailprobleme) sind von Haus aus meist Menschen, die Theologie studiert haben. Sie arbeiten aber eher nicht »theologisch« (wissenschaftlich, in Forschung und Lehre), sondern »praktisch« im Gemeindedienst (und damit in Seelsorge, Verwaltung, Sakramentsverwaltung, Predigt etc.) Und sie tun dies hauptamtlich, erzielen also den überwiegenden Teil ihres Einkommens aus dieser Tätigkeit.
Andere arbeiten in den gleichen Tätigkeitsfeldern, sind aber Laien. Wenn das nun so ist, dann scheint mir die kategorische Trennung nicht zu passen, denn im Dienst und seinen Erfordernissen in den Gemeinden und Bezirken (und das ist nicht allein in der EmK so, sondern etwa auch in den lutherischen Kirchen) gibt es Erfordernisse und Gaben und Talente. Theologie (im engeren Sinne) ist nett, aber nur selten gefragt. Statt dessen braucht es andere Gaben, etwa die, Talente bei Menschen zu entdecken und freizusetzen. Predigen im universitären Sinne ist eines, klar: Homiletik ist nicht zu verachten. »Liturgische Präsenz« lässt sich gar mit statistischen Methoden beforschen. ABER: Billy Graham etwa hätte vermutlich keine Professur für praktische Theologie an einer bundesdeutschen Uni bekommen, allein, weil es an Promotion und Habilitation mangelte.
Gute Präsentation ist etwas, was eher eine Kunst (englisch »Art«) als eine Wissenschaft (englisch »Science«) ist. — Es braucht in Gemeinde viele Gaben. Hauptamtliche werden gebraucht, Neben- und Ehrenamtliche ebenfalls. Wenn alle gemeinsam am Reich Gottes arbeiten, dann kann es näher zu den Menschen gebracht werden, die es so dringend benötigen.
Die kategorische Trennung in Pastoren und Laien hilft hier meines Erachtens nicht weiter, sondern setzt einerseits die Pastoren unter einen Druck, der unangemessen ist. So als wären sie besonders nahe zu Gott, und also besonders heilig, und als wäre etwas, wenn sie es machen, besonders wirksam. Andererseits suggeriert diese begriffliche Trennung, dass das, was Laien machen, geistliche Dienste minderer Ordnung wären.
Dass Kirchen (wie die EmK), die ordinierte Pastoren haben, eine »Konferenz für ordinierte Dienste« haben, liegt auf der Hand. Auch dies aber unterstellt eine Bedeutung der Pastoren, die sie (einfach weil es weniger sind und werden und sie eben keinesfalls alles machen können) nicht wahrnehmen können.
Ich meine, dass ein erneuertes Verständnis des »allgemeinen Priestertums aller Gläubigen« erforderlich wird, das sich auch in der Kirchenordnung abbildet. Ohne dies ist ein Missverständnis kaum zu vermeiden, das die Kirche, sowohl die Pastoren wie die anderen, belastet.
Erst wenn sich im Denken und damit in den Begriffen eine neue Struktur ergeben haben wird, sehe ich, dass es aus etlichen Krisen Dilemmata einen Ausweg geben wird. So lange bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe — diese drei -, trotz und in den Strukturen wie sie sind, in der Hoffnung, dass sie sich verändern mögen.
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