In diesen Zeiten ändert sich viel, auch in Gemeinden und Kirchen. Die Besuchszahlen in den Gottesdiensten und Veranstaltungen sind durch die jeweiligen Hygienekonzepte begrenzt und einige bleiben vorsichtshalber weg. Anderen ist das Verfahren mit (Vor-)Anmeldung unsympathisch oder zu mühsam. – Besonders betroffen sind die Jugendlichen. Für alle zwischen 13 und 18 Jahren ist die Peer-Group besonders wichtig. Das sind die anderen, die etwa gleich alt sind. Man definiert sich zunehmend über die Freunde, die Kollegen und Mitschüler(innen) bzw. die in der Gemeinde, die ein Jahr älter sind als man selbst.
Sieben Monate ohne
Wenn dann aber über sieben Monate lang kaum ein Angebot stattfinden kann, das den Namen verdient, wenn Gemeinschaft, Nähe und gelebtes Miteinander bloß mit Abstand und Maske möglich ist, dann ist es für mich kein Wunder, dass das nicht attraktiv sein kann.
Also bleiben die jungen Leute weg. – Wenn das sich nicht bald ändert, werden wir eine verlorene Generation haben, die auch keinen Weg zur Gemeinde findet, weil man die Zeit jeweils füllen kann. Der Sportverein, die Freunde usw. sind bereit, wenn Gemeinde keine Attraktivität ausstrahlt, kann man da Zeit besser füllen.
Auch bei den Erwachsenen wird Covid-19 Spuren hinterlassen. Ich halte es, wie auch manche andere, die hauptamtlich über Religionssoziologie nachdenken, für eher unwahrscheinlich, dass alle wieder kommen, wenn die Infektion vorbei sein wird. Mit medialen Angeboten hat man sich nun eingerichtet, die Fernsehgottesdienste, der Evangeliumsrundfunk und auch das Internet mit YouTube usw. sind Angebote, die einen weiterhin hohen Zuspruch genießen, auch weil sie bequem sind.
Gewohnheiten werden über eine längere Zeit eingeübt. Wenn man nun schon seit sieben Monaten nicht in die Live-Gottesdienste der eigenen Gemeinde geht, dann wird man es auch nicht tun. So kann der Sonntag einen anderen Rhythmus bekommen. Das ist nicht bloß schlecht.
Dieses Nachlassen in der Gottesdienst-Besuchskultur wird aber wohl auch bewirken, dass das Schrumpfen von Kirchen schneller geht. Nicht nur werden junge Leute nicht Mitglied (eher etwas in Freikirchen), sondern das Spenden- und Kollektenaufkommen wird zurück gehen bzw. anders verteilt werden, so dass die jeweiligen Gemeinden weniger bekommen. – Das wiederum begrenzt die Möglichkeiten, Hauptamtliche zu beschäftigen.
Schleswig-Holstein?
Gerade bin ich im Kurzurlaub in Schleswig-Holstein und stelle fest, dass hier etwa die landeskirchliche Gemeinschaft und die zugehörige Kinder- und Jugendarbeit vollständig ins Internet verlegt sind. In Hannover gibt es sehr große Freikirchen, die ebenso verfahren. – Klar: Es kann geboten sein. Aber es verändert die Art und Weise erheblich, wie Menschen einander begegnen und welche Bedeutung das Gemeindeleben im eigenen Leben hat. Natürliche Abgänge (Umzug, Todesfall, …) gibt es immer. Wenn aber keine Aufnahmen dem gegenüber stehen, dann werden Gemeinden kleiner. Bei einigen bedeutet das, dass sie keinen dritten Pastor beschäftigen können, bei anderen geht es um die Existenz.
Ich sehe auch keinen Aufholeffekt (wie etwa in der Hinwendung zu Kirchen bzw. religiösen Begeisterung nach 1945), denn es gibt ja kein anderes System, das Denken, Identifikation und Begeisterung beanspruchte, wie der Nationalsozialismus, der nachhaltig gegen eine Wand gefahren war. Heute sind die Parteien, Vereinige, Gewerkschaften usw. ähnlich dran: Sie finden wenige, denen die Mitarbeit und das Engagement wichtig sind.
Wenn wir gerade vorleben, dass Glaube und Nachfolge auch ohne Gemeinschaft bzw. Gemeinde gehen, dann gibt es eigentlich keinen Grund, das zu ändern, bloß weil ein Virus mutmaßlich irgendwann als besiegt angesehen werden kann.
Ich fasse also die Wirkungen zusammen:
- Weniger Gemeinde-Eintritte und schwindende Bindung Jugendlicher
- Weniger Spenden und weniger Kollekten
- mittelfristig schwindende Beiträge respektive Kirchensteuern
- Wegbleiben derjenigen, die nun auf mediale Angebote setzen.
Das jedenfalls führt zu einer gründlichen Änderung bei Gemeinden und Kirchen. Das aber ist nur eine Seite der Medaille, die andere ist, dass die christlichen Bindungen schwinden. Agnostiker und Atheisten haben also durch Corona einiges erreicht, was sonst nicht so schnell gegangen wäre. Anders gesagt: Eine Erweckung sieht eher gegenteilig aus.
Entkirchlichung 2.0
Corona bewirkt Entkirchlichung 2.0 – es sei denn, dass sich die Gemeinden bzw. Kirchen neu definieren. Dazu drängen nun die äußeren Umstände. Es gilt, aus dem Fortschreiben des ewig Gleichen herauszukommen, und die Berufung wahrzunehmen, zu der Christen berufen sind. Das aber bedeutet, aus dem Quark zu kommen. – Sich neu zusammenzutun, um das Evangelium in die Welt zu bringen durch Tun und Zeugnis.
Schauen wir einmal, welche Gemeinden das schaffen bzw. sich darauf einlassen.
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