In mehreren Hauskreisen bin ich dabei. Das Übliche ist, dass ein z.B. biblischer Impuls derart bedacht wird, dass er unser praktisches Christenleben im besten Fall erleichtert bzw. bereichert. Nach dem Erarbeiten des Textes geht es irgendwann um die Applikation, die Anwendung dessen, was da gesagt wird, auf uns und unser Leben in der Christus-Nachfolge. Wenn es gut geht, dann verläuft die Applikation so, dass sie hermeneutisch verantwortet geschieht (vgl. Klaus Berger, Hermeneutik des NT).
In einem Hauskreis ist das jedoch anders. Ich erlebe es seit geraumer Zeit, dass es in aller ökumenischen Vielfalt (lutherisch, orthodox, calvinistisch, methodistisch) auch darum geht, richtig über Gott zu denken und zu sprechen. Das ist einerseits vermutlich der Unterschiedlichkeit der Menschen und ihres jeweiligen Glaubens geschuldet, andererseits empfinde ich es auch als ein: Solange man im Fragen bleibt, braucht man nicht zu tun.
Dabei denke ich an das Beispiel des reichen Jünglings (z.B. Mk.10,17 – 27) und an die Schlange in 1. Mose 3,1ff: »Sollte Gott gesagt haben?« – Der reiche Jüngling (»Meister, was muss ich tun…«) weiß ja vermutlich, dass sein Besitz seiner Nachfolge im Wege steht. – Er hängt dran. Man kann’s verstehen.
So lange wir im Fragen bleiben, so lange wir grübeln, brauchen wir nicht zu gehorchen. Darin sehe ich eine massive Gefahr für unsere Nachfolge – und das auch in unserer Zeit.
Zu denken und zu fragen ist nicht an sich schlecht oder überflüssig. Es hat je seine Zeit. Dann aber ist es so, und der eine mag mehr Klarheit brauchen als die andere: Jedenfalls geht es dann darum, aus dem Glauben und Denken zum Handeln zu gelangen. Wenn wir erkennen: Der Besitz muss weg, dann weg damit. Wenn wir erkennen: Gott möchte nicht, dass wir von den Früchten essen, dann sollten wir es sofort und umfassend lassen.
Solange wir aber an Grundfragen etwa der Erlösungslehre, der Tauftheologie usw. herumknobeln, kommen wir eben nicht zum Tun. Mir ist hier Wesley sympathisch, der nach Klarheit in den Grundlagen, Freiheit in allem anderen und über allem der Liebe verlangte.
Wir sind als Menschen unterschiedlich, und also glauben und leben wir auf verschiedene Weise. Manche denken mehr und anderes, andere denken weniger, haben aber dafür ein hoch entwickeltes Empfinden für das, was geistlich und menschlich dran ist.
Die Verschiedenheit der Einzelnen finden wir vor, in jeder Gemeinde, in jedem Hauskreis. Noch mehr aber dann, wenn wir einander ökumenisch begegnen, denn dann kommen ja auch die Denk- und Glaubenstraditionen der Einzelnen und ihrer Ursprungkirchen bzw. ‑gemeinden ins Spiel. Das bietet große Chancen, denn die Sicht und Erfahrungen der je anderen können mein eigenes Leben, Glauben und Denken bereichern.
Die Gefahr ist aber, dass wir im Stellen der Fragen und im Hin-und-Her-Wenden der je unterschiedlichen Traditionen stehen bleiben, statt zur Praxis vorzudringen. Das Ziel (für mich) bleibt ja, in meiner Nachfolge dem näher zu kommen, was Gott für mich vorgesehen hat und als den er mich gemacht hat. – Ich gehe davon aus, dass es auch den anderen darum geht. Und deshalb finde ich es erforderlich, dass wir über das Denken und den sprachlichen Austausch hinaus kommen.
Sicher ist auch unser Denken und Sprechen von Gott ein Teil der Nachfolge. Es sind Denk- und Sprechhandlungen, um es sprachphilosophisch zu sagen. Andererseits geht eben viel mehr als das. Ich wünsche mir, dass wir dahin gelangen. Dafür lasse ich gerne auch die unterschiedlichen Traditionen und Denk- und Sprechweisen nebeneinander stehen. Wenn ich dem Calvinisten helfen kann, dass er das, was er erkannt hat, besser leben kann: Wunderbar. – Wenn mir der Lutheraner sagt: Ich bete für Dich und die schwierige Situation in der Gemeinde, prima.
Wir sollten uns bemühen, dass unser Miteinander darin seine Ausrichtung erfährt, dass wir zu (a) Erkenntnis dessen gelange, was dran ist, und (b) dies dann tun.
Ich meine, dass die Welt, die Gott uns anvertraut hat, so sehr unseres Denkens, Betens und Tuns bedarf, dass wir zum Tun gelangen sollten und eben nicht im Denken-Über stehenbleiben dürfen. Um Gottes und der Menschen Willen. Alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung.
Biblischer, lebendiger Glaube ist schlicht gesagt ein Vertrauen, das sich durch Wort und Tat (=Gehorsam) bezeugt und so das Licht der Welt erblickt. Was nicht ans Licht der Welt gelangt, nützt wohl keinem, nicht einmal mir selbst.