Christliche Bücher finden sich ebenso im Handel wie christliche Musik. Christlicher Lebensstil ist ein Thema. Nicht zu vergessen sind die C‑Parteien, die sich Christlich-Demokratisch bzw. Christlich-Sozial verstehen. In allen Fällen ist das »christlich« ein Adjektiv.
So etwas braucht eigentlich niemand. Denn: Der Anteil, den Christus daran hat, bleibt unklar. Was macht christliche Musik zu christlicher Musik? Sind es die Texte? Klar, aber es gibt auch christlichen Instumental-Jazz. Warum? Weil es ein Marketing-Merkmal ist. Was ist das Christliche an Psalmen-Lobpreis? Wieso ist das nicht jüdisch? Die Psalmen sind doch die gleichen?
Wahrscheinlich verstehen sich die »ausführenden Tonkünstler« eben als Christenmenschen, und sie erhoffen sich, dass das, was sie machen, zumindest in der frommen Szene besser verkäuflich ist, wenn die Musik als christlich betitelt ist. Das gilt ebenso für Romane usw. Dass es ein christliches Verlagswesen gibt, liegt daran, dass man einen eigenen Bereich, eine ausgewiesene Nische schaffen möchte, die dann z.B. eigene Bestenlisten (eben für christliche Musik oder Literatur) hervorbringen. Damit erhalten die interessierten Käufer/innen eine Vorauswahl in der Nische. Denn auf Platz 2 der Spiegel-Bestseller-Liste brächten die christlichen Bücher oder die christlichen Musiker kaum je einmal. Das soziale Kapital, das Preise und Bestenlisten mit sich bringen, das lässt sich in der christlichen Szene in klingende Münze umsetzen, wenn man die christlichen Sachbuch-Charts anführt.
Erstaunlich finde ich, dass das Adjektiv vor allem fast ausschließlich zur Kennzeichnung einer Nische erforderlich ist. Ja, die C‑Parteien hoffen, dass es bei ihnen anders sein möge, aber die besetzen die Nische weniger: Der verbliebene Buchstabe C ist allein philologisch ein schlechter Hinweis auf das griechische Chi, das philologisch Interessierte mit »Ch« abkürzen.
Weder verstehen sich die so genannten C‑Parteien als »Partei Bibeltreuer Christen«, noch wäre für das Parteiganze die persönliche Nachfolge ein Merkmal, das sich parteipolitisch ausdrückte. Wie gesagt: Im Einzelfall mag das anders sein, und solche Nachfolgende leiden unter manchen Entscheidungen ihrer Partei, weil sie das Christliche vermissen.
Ich meine, dass das Adjektiv so viel besagt wie: »Kann Spuren von Christentum enthalten.« – Und das ist bei der Lebensmittelkennzeichnung ein Hinweis für Allergiker/innen.
Der Unterschied, um den es in der Überschrift geht, ist: Wo kommt Christus ins Spiel? Wo geht es um ihn?
Offensichtlich gibt es keine Musik‑, Bild- oder Wort-Sprache, die typisch christlich wären.Christliche Literatur, das kann eine sinnvolle Kennzeichnung sein, und zwar dann, wenn es sich auf die Schriften des Neuen Testaments und die weiteren Schriften dieser Zeit, Didache, Thomasevangelium usw., bezieht. – Meinetwegen noch auf die dogmengeschichtlichen Schriften, Konzilsprotokolle etc. Christliche Kunst benutzt abendländische Ikonographie, klar. Ob da das Christliche noch ein Wesensmerkmal gewesen ist, darüber kann man streiten. Zumindest ist das über fünfhundert Jahre her. Heute werden allenthalben Zitate gebraucht, aus dem Comic, aus Fernsehserien, und dies gleichermaßen bei rechts gesinnten Identitären und Christenmenschen wie bei allen, die in der Postmoderne angekommen sind. Das gilt für biblische Motive und Wendungen in Musik, Buch, bildender Kunst gleichermaßen.
»Christus spielt in meinem Leben keine Rolle, er ist der Regisseur«
Das hatte ein Freund als Aufkleber auf seiner Tasche. Wo kommt Christus ins Spiel, und wie geschieht das? Was unterscheidet Christus vom Christlichen?
Wenn es darum geht, das zu tun, was Gott möchte, dass es getan wird, dann geht es um Christus – und Christus bedeutet für den Christenmenschen Christus-Nachfolge. Das ist meine Arbeitsdefinition. Das lässt sich aus der Beziehung und Gemeinschaft mit Gott heraus leben. – Einer bekümmert mich, ich empfinde Mitleid. Entsprechend handle ich. Im Zweifel geht es darum, Gott zu gehorchen, wie es Christus tat.
Das setzt Gebet voraus. Es setzt das Wort des Bruders oder der Schwester voraus, die mir auf die Bahn helfen, wenn ich falsch abbiege.
Gemeinde aber ist jeweils nicht allein »christlich«, denn dort gibt es Sachzwänge in der Verwaltung, in der Leitung, in der Organisation. Gemeinde ohne Geist wird zum Verein. Christliche Gemeinde ist aber – wie christliche Literatur, Musik usw. – nicht Christus, sondern eine Körperschaft oder ein Verein, die dazu da sind, die Nachfolge zu fördern. Das ist aber nicht Nachfolge.
Das erinnert mich an das, was Markus im Podcast (hier) sagte: Christliche Gemeinschaft ohne Gemeinde. Die meisten Menschen brauchen Gemeinschaft (als Einsiedler sind die wenigsten gemacht).
Noch ein Versuch, es gedanklich zuzuspitzen: »Christlich« zielt auf ein Image, eine (fixe) Vorstellung von. – »Christus-Nachfolge« hat kein abstraktes Ziel, zielt vielmehr darauf, das zu tun, was Gott möchte. Hierbei ist nicht wegzudenken (für mich), dass ich mich mit der biblischen Überlieferung, der Geschichte usw. befasse. – Die anderen beiden Seiten des wesleyschen Vierecks sind mir auch wichtig – siehe hier.
Wenn es um Nachfolge geht, dann geht es um gelebte Beziehung zu Christus. Damit der Geist wirken kann, ist für mich das Gebet unersetzlich. Damit ich aber nicht meinen eigenen Geist für Gottes Geist halte, ist mir die biblische Überlieferung wichtig. Diese bedarf der Hermeneutik, einer verantworteten Auslegung und In-Gebrauchnahme also. Erfahrung und Tradition erden, was ich denke, fühle und für Christus-Nachfolge halte.
Mich machen die Adjektive und Adverbien zunehmend vorsichtig. Oft handelt es sich um ein »gut gemeint«, aber selten um das Eigentliche. Das gilt für christliche Gemeinden, christliche Bücher, christliche Kindergärten, christliche Parteien und christliche Schulen gleichermaßen. Doch: Ich möchte nicht das Kind mit dem Bade ausgießen: Es gibt durchaus Christus, und es gibt Christenmenschen, die aus ihrem Glauben heraus in Nachfolge leben. – Und das möchte ich auch.
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