Denkende Nachfolge ist ein Gegengedanke zu den Ratlosigkeiten, die die dialektische Theologie (Karl Barth und weiter dann Reinhold Niebuhr) uns zumutet. — Darum hat das Zitat Botho Strauß’ aus »Paare, Passanten« für mich eine doppelte Bedeutung. Einmal bricht Strauß mit dem klassischen Erzählen. Für mich bedeutet es aber auch einen Bruch mit dem theologischen Denken wie es Barth und Niebuhr betrieben.
Klassisch-fromme Konzepte gehen nicht einmal so weit. Entweder bleibt unser Denken ganz in der Immanenz — und Gott ist transzendent. Oder wir sprechen (unzulänglich) vom »ganz anderen Gott« (mit Barth).
In Kirche nicht aufhören zu denken…
Wir brauchen nicht ein Ende unseres Denkens, da, wo wir mit Gott und dem Heiligen zu tun bekommen. Vielmehr brauchen wir genau das Gegenteil: Alle unsere anvertrauten guten Gaben, unser Verstand, unsere Empfindung, alle sind Gaben Gottes, die wir in rechter Weise gebrauchen sollten.
Leider ist es noch immer eher anders. So, dass viele einzelne Christenmenschen und auch manche Kirchen und Gemeinden voraussetzen, dass mit dem Betreten des heiligen Bereiches wir auch einen Schritt zurück, zumindest bis vor die Aufklärung machen. Vorfindlich ist in der frommen Szene eher folgendes:
- »gedankenlose Nachfolge«,
— Viele schalten den Verstand ab, wenn sie sich als Christ zu verstehen beginnen. Sonst denken sie schon, im Alltag, im Beruf, bei all diesen Entscheidungen sind die Verstandesgaben vorhanden. Wer als Absolvent eines Hochschulstudiums (in einem Beruf oder sonstwo) vieles gelernt hat, kann denken. Etliche schalten dies in Glaubenssachen vorsätzlich ab. - »Nachfolge wider besseres Wissen und Denken«,
— So viele gibt es, bei denen die Vermittlung zwischen der Predigt am Sonntag, dem Wunsch nach einem klaren, einfach-fassbaren Weltbild, und dem Alltag an den anderen Tagen der Woche nicht gelingt. Beide Bereiche stehen unvermittelt nebeneinander. — Daher ist »Glaube am Montag« ein Thema in vielen Gemeinden. — Allein: Es ist ja kein Unglaube am Montag vorhanden, sondern ein Weltbild am Sonntag, das vielfach nicht für den Alltag passt. - »Pastor befiehl, wir folgen« und
— Allzu oft wird die Welt schwarz und weiß gezeichnet, ohne Zwischentöne. Handlungen und Gedanken werden nach »christlich« und »Sünde« sortiert. Natürlich liebt Christus die Sünder, aber das merken die schon nicht mehr, weil sie sich als ausgegrenzt wahrnehmen, und dann von selbst wegbleiben. Selbst gut gemeinte Konzepte und Theologien verletzen immer wieder. Es gibt zahllose Opfer. Die Familienhilfe — etwa in Freistatt und vielen anderen Einrichtungen — bietet beredte Beispiele. - tradierte Rezepte, die befolgt werden, obwohl sie nicht mehr passen.
— Hierbei geht es darum, dass alle sehen können, dass vieles so nicht mehr funktioniert. Niemand aber sagt das. Man macht weiter wie gehabt, bis keine Chance mehr zum Umsteuern besteht. So führt sich manche Gemeinde, manche diakonische Einrichtung aus gedanklicher Bequemlichkeit zum eigenen Ende, statt sich bei Zeiten zu erneuern. Gerade auch im Blick auf Gottes Auftrag für eine bestimmte Zeit. Das kann sich ändern! Eben dazu haben wir unsere Geistesgaben.
Es handelt sich um eben dies, wenn Bonhoeffer über die Dummheit schreibt. Es geht eben nicht um Bosheit und nicht um Torheit (also Erkenntnis-Unfähigkeit), sondern um eine Verdummung, die jemand (gerne) mit sich machen lässt, es geht um Verzicht aufs Denken aus Bequemlichkeit:
Dietrich Bonhoeffer Von der Dummheit
Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse lässt sich protestieren, es lässt sich bloßstellen, es lässt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurück lässt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt lässt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden — in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch — und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseite geschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen.
Niemals werden wir mehr versuchen, den Dummen durch Gründe zu überzeugen; es ist sinnlos und gefährlich. Um zu wissen, wie wir der Dummheit beikommen können, müssen wir ihr Wesen zu verstehen suchen. Soviel ist sicher, dass sie nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist.
Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind. Diese Entdeckung machen wir zu unserer Überraschung anlässlich bestimmter Situationen. Dabei gewinnt man weniger den Eindruck, dass die Dummheit ein angeborener Defekt ist, als dass unter bestimmten Umständen die Menschen dumm gemacht werden, bzw. sich dumm machen lassen. Wir beobachten weiterhin, dass abgeschlossen und einsam lebende Menschen diesen Defekt seltener zeigen als zur Gesellung neigende oder verurteilte Menschen und Menschengruppen. So scheint die Dummheit vielleicht weniger ein psychologisches als ein soziologisches Problem zu sein. Sie ist eine besondere Form der Einwirkung geschichtlicher Umstände auf den Menschen, eine psychologische Begleiterscheinung bestimmter äußerer Verhältnisse.
Bei genauerem Zusehen zeigt sich, dass jede starke äußere Machtentfaltung, sei sie politischer oder religiöser Art, einen großen Teil der Menschen mit Dummheit schlägt. Ja, es hat den Anschein, als sei das geradezu ein soziologisch-psychologisches Gesetz. Die Macht der einen braucht die Dummheit der anderen. Der Vorgang ist dabei nicht der, dass bestimmte — also etwa intellektuelle — Anlagen des Menschen plötzlich verkümmern oder ausfallen, sondern dass unter dem überwältigenden Eindruck der Machtentfaltung dem Menschen seine innere Selbständigkeit geraubt wird und dass dieser nun — mehr oder weniger unbewusst — darauf verzichtet, zu den sich ergebenden Lebenslagen ein eigenes Verhalten zu finden.
Dass der Dumme oft bockig ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er nicht selbständig ist. Man spürt es geradezu im Gespräch mit ihm, dass man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat. Er ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen missbraucht, misshandelt. So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen. Hier liegt die Gefahr eines diabolischen Missbrauchs. Dadurch werden Menschen für immer zugrunde gerichtet werden können. Aber es ist gerade hier auch ganz deutlich, dass nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung die Dummheit überwinden könnte. Dabei wird man sich damit abfinden müssen, dass eine echte innere Befreiung in den allermeisten Fällen erst möglich wird, nachdem die äußere Befreiung vorangegangen ist; bis dahin werden wir auf alle Versuche, den Dummen zu überzeugen, verzichten müssen.
In dieser Sachlage wird es übrigens auch begründet sein, dass wir uns unter solchen Umständen vergeblich darum bemühen, zu wissen, was »das Volk« eigentlich denkt, und warum diese Frage für den verantwortlich Denkenden und Handelnden zugleich so überflüssig ist — immer nur unter den gegebenen Umständen. Das Wort der Bibel, dass die Furcht Gottes der Anfang der Weisheit sei (Psalm 111,10), sagt, dass die innere Befreiung des Menschen zum verantwortlichen Leben vor Gott die einzige wirkliche Überwindung der Dummheit ist. Übrigens haben diese Gedanken über die Dummheit doch dies Tröstliche für sich, dass sie ganz und gar nicht zulassen, die Mehrzahl der Menschen unter allen Umständen für dumm zu halten. Es wird wirklich darauf ankommen, ob Machthaber sich mehr von der Dummheit oder von der inneren Selbständigkeit und Klugheit der Menschen versprechen.
(* Dietrich Bonhoeffer. Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hrsg. von E. Bethge — S.14ff *)
Ein außergewöhnlicher Lasterkatalg (nein, keine Nutzfahrzeuge)
Eine meiner Lieblingsstellen im Neuen Testament ist Markus 7,21 – 23:
21 Denn aus ihm selbst, aus seinem Herzen, kommen die bösen Gedanken und mit ihnen Unzucht, Diebstahl und Mord; 22 Ehebruch, Habsucht und Niedertracht; Betrug, Ausschweifung und Neid; Verleumdung, Überheblichkeit und Unvernunft. 23 All das kommt aus dem Inneren des Menschen und macht ihn unrein.
In einem einzigen neutestamentlichen Lasterkatalog taucht die »Unvernunft« auf, und sie steht gleichsam gleichrangig neben Ehebruch und Mord, Habsucht und Niedertracht etc. — Wenn Bonhoeffer recht hat, dann ist die Dummheit eben kein »nicht-Denken-Können«. Es handelt sich vielmehr um eine Entscheidung aus Bequemlichkeit. Ja, es gibt viele, die die Dummheit anderer gerne sehen und diese befördern. Aber es braucht auch die, die sich verdummen lassen.
Bonhoeffer zitiert Psalm 111,10: »Den HERRN stets ernst zu nehmen, damit fängt alle Weisheit an.« (so die Gute Nachricht). »Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Weisheit.« (Lutherbibel) Dieses Lob der Weisheit zieht sich durch viele der alttestamentlichen Texte: In Sprüche 1 werden Einsicht, echte Bildung, Weisheit gelobt, und zwar als Gottes Gaben. Ja, mir ist bewusst, dass die so genannte »Krise der Weisheit«, also etwa das Buch Prediger/Kohelet oder Hiob auch die Grenze der Weisheit benennen. Psalm 139 etwa (und Prediger, Psalmen usw.) stellen klar, wie wenig wir erkennen können.
Werkzeuge haben Anwendungsfälle — und Grenzen ihrer Eignung
Wie bei jedem Werkzeug muss man die rechte Anwendung kennen, die Zwecke, zu denen es eingesetzt werden kann, und dann auch die Grenzen, die Fälle, in denen dieses Werkzeug nichts nützt. Kirchen und Gemeinden, die die Mittel nutzen, die zur Verfügung stehen, tun gut daran. Ohne den Buchdruck hätte die Reformation so nicht stattfinden können. Heute steht das Internet mit Blogs, Podcasts und Youtube und manchem mehr zur Verfügung. Sollten wir das nicht nutzen?
Noch zwei Hinweise auf denkende Nachfolge: Die Briefe im Neuen Testament argumentieren. Sie appellieren, aber nicht aufgrund sonstiger Autorität, sondern vor allem aufgrund der angebotenen Modelle, wie vom Glauben gedacht und entsprechend gehandelt werden kann. Stellvertretend nenne ich den Römerbrief, in dem Paulus für seine Theologie wirbt, für sein Denken über Gott und die Menschen. — Jesus lehrt in Vollmacht (Markus 6,2 z.B.), was die Menschen aus Nazaret verblüfft. Er ist doch aus einfachen Verhältnissen, aus einer Zimmermanns-Familie. Wieso kann der so lehren? Die Leute beurteilen das, was sie hören, und zwar indem sie es in Verbindung zu dem bringen, was sie kennen. — Denkendes Beurteilen.
Noch etwas zum Thema der denkenden Nachfolge bzw. der Dummheit: Im 1. Petrus 2,15: »Denn Gott will, dass ihr durch eure Taten alle zum Schweigen bringt, die aus Dummheit und Unwissenheit gegen euch reden.« — Hier argumentiert der Autor des Briefes, dass die Empfänger durch ihr Handeln, ihre gelebte Ethik, die zum Schweigen bringen sollen, die aus Unwissenheit und gedanklicher Bequemlichkeit gegen die Christen reden. Unwissenheit und Dummheit, das sind reale Gefahren — in heutigen Christenverfolgungen, bei Hasskriminalität hier oder anderswo.
Falsifizierbarkeit und historischer Kontext: Gamaliel
Denkende Nachfolge weiß um ihre Möglichkeiten und ihre Grenzen. Und wenn die Dinge sauber gedacht und formuliert werden, dann liefert man die Kriterien mit, an denen sich zeigt, ob ein Gedanke falsch ist, unhaltbar. So wie Gamaliel, der Lehrer des Paulus, ein Pharisäer im Hohen Rat in Apostelgeschichte 5,33ff.
Er weiß um die Vorkommnisse in der Geschichte. Er weiß auch, dass sich die meisten von selbst erledigt haben. Sie waren eben nicht von Gott eingesetzt. In solchen Fällen genügt es abzuwarten. — Wenn es mit dieser neuen Gruppe der »Christen« ebenso ist, dann braucht man keine Gewalt, das Problem würde sich von selbst erledigen. Wenn es aber tatsächlich eine von Gott gewollte Bewegung ist, dann kann man die ohnehin nicht aufhalten.
»[…] Geht nicht gegen diese Leute vor! Lasst sie laufen! Wenn das, was sie wollen und was sie da angefangen haben, nur von Menschen kommt, löst sich alles von selbst wieder auf. 39 Kommt es aber von Gott, dann könnt ihr nichts gegen sie machen. Wollt ihr am Ende als Leute dastehen, die gegen Gott kämpfen?« (Apostelgeschichte 5,38f, GNB)
Er bietet aber noch mehr an: Ein Kriterium der Prüfung der Falsifizierbarkeit des Anspruchs der jungen Christen, dass Jesus der verheißene Messias bzw. Christus sei. Einfach abwarten. Auch wenn hier keine ausdrückliche Zeitangabe genannt ist, lässt sich aus den genannten historischen Beispielen doch ablesen, dass es um einige Jahrzehnte geht.
Dieser Mut des Gamaliel, ein Verfahren anzubieten, das in einer ungewissen Situation eine Entscheidung des Hohen Rates begründen kann, ist ungewöhnlich. Die Mehrzahl der Diskussionsbeiträge (die uns nicht überliefert sind) werden eher politischer Natur gewesen sein. Schließlich fürchtete der Hohe Rat um seine theologische Deutungshoheit, denn die Christen erregten Aufsehen und hatten gewaltige Wachstumsraten, die wir uns heute nur wünschen können.
Koinzidenz ist keine Ursache-Wirkung-Beziehung
Wir erleben einen Rückgang in christlichen Kirchen und Gemeinden. Sowohl die Menschen, die sich als zugehörig verstehen, werden weniger, als auch die Anzahl derjenigen, die mitarbeiten und sich einbringen, ja, sogar die Anzahl derjenigen, die an Jesus als den Christus glauben, sinkt.
Zu gleicher Zeit gab es von deutschen Universitäten viele Antworten auf Fragen, die sich in Gemeinden nicht stellten. Allgemein fanden viele »Fromme« insbesondere die so genannte »historisch-kritische Methode« der Auslegung biblischer Texte, aber auch das Programm der »Entmythologisierung« (Rudolf Bultmann) unerfreulich und nicht glaubensfördernd. Diese gemeindliche Kritik an manchen Themen universitärer Theologie fand einen gewissen Höhepunkt in den Kontroversen um Gerd Lüdemann, den gewesenen Göttinger Neutestamentler, der fand, die Auferstehung nicht annehmen zu können.
Gewiss sind diese Konzepte eines Nachdenkens über Inhalte, Zeugnisse und Methoden des frühen Christentums nicht darauf optimiert, den Gemeinden maximalen Nutzen zu bringen. Und doch: Es geht ja auch anders. Wer eine Gleichzeitigkeit mit einer Ursächlichkeit verwechselt, arbeitet unsauber. Ja, es gibt diese Theologien. — Ja, es gibt einen Rückgang der Anzahl derjenigen, die sich als Christen verstehen. Ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang wäre aber noch zu belegen.
Ich sehe eine ganze Anzahl anderer Konzeptionen theologischen Denkens, die ich als sehr wohl hilfreich ansehe. Das aber wäre ein Thema für einen anderen Artikel. Mir fällt bloß auf, dass es eine Art von »Furcht vor Universitäts-Theologien« aus der frommen Ecke gibt, die ich nicht nachvollziehen kann. Schlechte Theologien, die in die gedankliche Ausweglosigkeit führen, sind ein Anreiz, gründlich und weiter zu denken. Eben nicht stehenzubleiben.
Mit anderen Worten: Die Lösung für nicht hilfreiches Denken besteht nicht darin, das Denken einzustellen oder auf einen Stand von vor der Aufklärung zurück zu drehen. Vielmehr sollten wir danach suchen, wo es hilfreiche Gedanken gibt, die in Gebrauch genommen und möglicherweise weiter entwickelt werden können. Solche sind vorhanden. Bloß nicht zu früh resignieren. Früher war eben nicht alles besser, es war bloß anders. — Bei einer Blinddarm-Operation käme ja auch niemand auf die Idee, diese mit »historischen Instrumenten« in »historischer Aufführungspraxis« ausführen zu lassen.
Pragmatisch — statt nach Wirklichkeit zu fragen…
Wofür und zu welchen Zwecken brauchen wir überhaupt eine Theologie aus der Sicht der Gemeinden bzw. einzelner Christenmenschen? — Meine Einschätzung: Zur Entscheidung in Streitfragen, zur Reduktion auf die je unterschiedlichen (entweder) Annahmen (oder) Methoden, wie (ausgehend von den Annahmen) jemand zu Schlüssen gelangt. Es geht also nicht darum, auszusagen, wie die Welt ist, wie Gott ist oder der Mensch. Es geht vielmehr um gültige Schlüsse aus gemeinsam anerkannten Annahmen.
Ferner geht es um eine angebbare Position, die formuliert werden können sollte. Wenn eine Gemeinde z.B. die Glaubenstaufe praktiziert, sollte sie sagen können, warum sie dies tut und erwartet, gerade wenn es um den Dialog mit Menschen geht, die möglicherweise als Kleinkinder getauft wurden und bei denen sich nun die Frage stellt, ob sie sich »wiedertaufen« lassen sollen oder ob die Kindertaufe eben keine Taufe (im eigentlichen Sinne des Wortes) war. — Angebbare Positionen helfen auch im Kirchenlichen Unterricht, in der Katechese, im Konfirmationsunterricht. Man muss ja sagen können, was hier geglaubt wird.
Sagen zu können, was ich glaube, das hilft auch beim Dialog zwischen Christenmenschen etwa in einem Haus- oder Bibelkreis. In einer solchen Gruppe bin ich (als Methodist) mit einem russisch-orthodoxen, einigen ev.-luth. und einem reformierten Christen. Für unsere Zwecke genügt es, den Raum des Verstehens biblischer Texte zu beschreiben. Wer da nun absolut richtig liegt, interessiert mich nicht nur nicht, ich halte es nicht einmal für entscheidbar, und also für eine »Scheinfrage«.
Zwei biblische Texte zum Abschluss
Zum Schluss zurück zu zwei biblischen Texten, die beide bereits am Anfang vorkamen:
»[…] Nichts, was der Mensch von außen in sich aufnimmt, kann ihn unrein machen. Nur das, was aus ihm herauskommt, macht ihn unrein!« (Markus 7,15)
ich meine, dass das auch für die Gedanken gilt, die ich höre, lese, prüfe, quasi verdaue. Vieles ist ohne Nährwert und es wird wieder ausgeschieden.
»Aber das«, fuhr er fort, »was aus dem Menschen selbst herauskommt, das macht ihn unrein! 21 Denn aus ihm selbst, aus seinem Herzen, kommen die bösen Gedanken und mit ihnen Unzucht, Diebstahl und Mord; 22 Ehebruch, Habsucht und Niedertracht; Betrug, Ausschweifung und Neid; Verleumdung, Überheblichkeit und Unvernunft. 23 All das kommt aus dem Inneren des Menschen und macht ihn unrein.« (Markus 7,20 – 23)
Gedankliche Bequemlichkeit ist eine Gefahr, Niedertracht, Ausschweifung, Überheblichkeit, klar. Wir können unsere gesamten Geistesgaben verbrecherisch nutzen (wie alle anderen Gaben). Und deshalb ist es um so wichtiger, dass Weisheit und Erkenntnis, die Gott schenken und wachsen lassen möge, unsere Ausrichtung bei allem Denken bleiben. Es geht schließlich nicht ums »Denken an sich«, sondern um Nachfolge, aber um eine solche, die denkend geschieht.
23 Durchforsche mich, Gott, sieh mir ins Herz, prüfe meine Wünsche und Gedanken! 24 Und wenn ich in Gefahr bin, mich von dir zu entfernen, dann bring mich zurück auf den Weg zu dir! (Psalm 139,23f)
F.W., 14. – 16. Juni 2020
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