Auf einer längeren Autofahrt hörte ich eben im Evangeliumsrundfunk (ERF) einen Auszug aus der Geschichte des ERF von Horst Marquardt, der heute neunzig Jahre alt wird und als gelernter methodistischer Pastor lange Jahre hindurch den ERF leitete.
Der Beitrag schaute auf einzelne Schritte auf dem Weg zum Sender und dann auch auf dem Weg zurück. Immer wieder ging es darum, ein Glaubenswerk mit sehr ungewissem Ausgang anzugehen. Einen Sender in Montecarlo zu errichten, ohne zu wissen, woher das dafür erforderliche Geld kommen soll. Eine deutsche Sparte mit dem Evangeliumsrundfunk anzugehen. Ohne je eine Minute gesendet zu haben. – Große Sponsoren, auf die man anfangs hoffte, gab es kaum. Vielmehr musste eine große Zahl kleiner Beiträge zusammen gebracht werden, um das Werk zu ermöglichen.
Als es dann daran ging, statt auf Kurzwelle auf Mittelwelle zu senden, einen Ausbau der Räumlichkeiten in Wetzlar anzugehen usw. zeigte sich immer wieder, dass gar nichts sicher war, dass es aber gelang – und zwar mit allen menschlichen Planungen aber vor allem im Vertrauen auf Gottes Tun.
Wenn es hier auf dieser Seite um Nachfolge in der Postmoderne geht, dann ja zunächst um Nachfolge. Was aber ist Nachfolge anderes als Gottvertrauen? Das Rechnen darauf, dass Gott sein Werk tun wird!
Haben wir so etwas, auch dann, wenn wir uns als Christenmenschen in der Postmoderne sehen? Wir haben weniger Gewissheiten im Äußeren als die Christenmenschen früherer Generationen, keinen Wahrheitsanspruch außerhalb der Dialoggemeinschaft (»War ist, was nicht sieghaft widerlegt werden kann.«) und insbesondere halten wir den »Linguistic Turn« für unabdingbar. Die Annahme also, dass die Sprache von Dingen der Sprache, nicht der Welt, handelt. Dass aber der Übergang von Welt zu Sprache und umgekehrt stets sorgfältig zu prüfen ist und keineswegs trivial ist.
Rechnen wir als postmoderne Christenmenschen mit dem Falsifikationskriterium (also damit, dass etwas, das faktisch widerlegbar ist, nicht als gültig angesehen werden kann)? Lassen wir uns faktisch widerlegen? Spricht zum Beispiel etwas in der Welt heute gegen Gottes Plan in der einen oder anderen Weise?
Wer den Linguistic Turn mitgemacht hat, kann sicher einsehen, dass die Frage keineswegs trivial ist. – Eine weit verbreitete Haltung ist heute ja, dass jedes Wirken Gottes in der Zeit von vielen als »kaum mehr vorkommend« angesehen wird. Es wird nicht ausgeschlossen, ist aber zu »wunderbar«, um hinter allem stets Gottes Wirken anzunehmen.
Die anderen, die es so sehen, dass Gott weiter in Zeit und in der Ewigkeit wirkt, die werden zumindest einräumen, es sei bei dem einen oder anderen Ereignis schwierig, und allenfalls im Glauben möglich, es als Gottes Wirken zu erkennen. – Wie ist das etwa mit der deutschen Wiedervereinigung? War die Gottes Wirken? Eine Gebetserhörung? Ein solches Wirken Gottes nehmen manche an, andere sprechen von einem glücklichen Zufall der Geschichte…
Wie ist die eine oder andere Sicht begründbar, was spricht für das eine oder gegen das andere? In seinen »Grenzen der Interpretation« stellt Eco fest, dass es zwar nicht möglich sei, etwas als (die) zutreffende Deutung zu indentifizieren, es gebe aber klar solche Deutungen, die als abwegig oder als falsch zu kennzeichnen seien — und zwar einfach weil die Dialoggemeinschaft sie so verstehe. Sein Beispiel ist ein Jack the Ripper, der sich auf die Bergpredigt bezöge: Das wäre, so es Jack the Ripper täte, ein klares Missverständnis.
In den Leben einzelner Christenmenschen, in der Geschichte christlicher Kirchen und Werke (wie der des Evangeliumsrundfunks) und in der Zeitgeschichte gibt es immer wieder die, die auf den Rat des Gamaliel (vgl. Apostelgeschichte 5,38f) setzen. Was ist ein Werk Gottes? Wo möchte er, dass wir etwas tun? Zum subjektiven Empfinden muss ja eine Bestätigung durch andere kommen und dann auch ein gewisser äußerer »Erfolg«. Letzterer aber ist ja auch für Heiden sichtbar. Das aber wäre ja eher eine Bestätigung als eine Falsifikation. Aber: So geht es in der Praxis öfters.
Wenn ein Werk aber (etwa ein Projekt einer Gemeinde) nachhaltig nicht wächst, sondern trotz Einsatz, Fürbitte und Förderung vegetiert: Wäre das eine Falsifikation? (Wann) Ist das ein Hinweis, dass Gott dieses Werk oder Projekt nicht möchte bzw. es nun nicht dran ist?
Wer die Frage nicht stellt, die oder der hat sich aus der Annahme eines Wirkens Gottes heute und bei uns bereits verabschiedet. Das kann man machen, allein: Es wäre dann eben keine Nachfolge mehr — so verstehe ich es zumindest. Mir stellt sich die Frage, und ich finde das — etwa gegenüber den späten 1950er Jahren und den Frühzeiten von TransWorldRadio bzw. dem frühen ERF — als nicht einfach zu beantworten.
Sachdienliche Hinweise sind erbeten.
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