Wenn wir die Nachrichten in Presse und Rundfunk beachten, sieht es nicht gut aus ums Christentum in den meisten westlichen Kulturen. Allenthalben Rückgang, Schrumpfen und vor allem ein Generationenumbruch: Ältere gehören mehrheitlich zu einer der christlichen Kirchen, bei den Jüngeren ist der Anteil der Gemeindeglieder ungleich geringer.
In den Großkirchen hierzulande lässt sich ein Teil der beobachtbaren Austritte bzw. nicht mehr getauften Kinder mit Bereinigungseffekten erklären: Die längst innerlich distanzierten Eltern treten teils selbst aus, teils bleiben sie aus Tradition in der Kirche, von der sie sich so sehr inhaltlich distanziert haben, dass sie ihre Kinder weder taufen lassen noch anmelden zu Konfirmationsunterricht usw.
Die Effekte sind nachhaltig, denn es ist bedeutend schwieriger, jemanden zurück zu gewinnen für den Glauben als ihn oder sie zu halten.
Sicher kann man sagen: Einige wechseln von den Landeskirchen zu den Freikirchen. Dort aber gehen sie der (groß-)kirchlichen Statistik verloren und werden auch staatlicherseits nicht mehr erfasst. Die Frage, warum wir mittlerweile politisch so weit sind, dass es doppelte Staatsangehörigkeiten natürlicherweise gibt, kirchlich aber keine Doppelmitgliedschaft wird in einem anderen Beitrag bedacht.
Wenn also die Bereinigungseffekte ohnehin zu erwarten sind, bloß eben früher oder später, und die nicht erreichten, vermutlich auch nicht mehrheitlich erreicht werden können, so ist die Pastoralsoziologie doch im Wesentlichen beschreibend. Sie stellt zusammen, was eben ist.
Wichtig wäre es aber, die Landschaft nicht allein zutreffend zu beschrieben, sicher auch gut. Aber: Sie zu verändern zum Besseren, das wäre eher geboten und wichtig.
Wie können nun »das Tun des Willens Gottes« in der Welt vom Gemeindeaufbau unterschieden werden? Es scheinen ja mitunter gar gegensätzliche Handlungsoptionen, die das eine bzw. das andere bewirken. Welche ist dran?
Für mich selbst habe ich vor über einem Jahr den Unterschied zumindest bemerkt und mich für Willen Gottes und gegen eine Priorität auf Gemeindeaufbau entschieden.
Gemeinde als Ekklesia, als Gemeinschaft der Heiligen, das sind die von Gott berufenen Christenmenschen. Die Nachfolgerinnen und Nachfolger. Allein: Wir haben eben heute so vielfältige Stile und Lebensweisen und entsprechend auch weit mehr als eine »Einheitsgemeinde«. Vielmehr finden sich je nach Stil und Bekenntnis, nach den unterschiedlichsten Selektionsmerkmalen Christenmenschen in Gemeinden zusammen. Andere meiden grundsätzlich alle Formen organisierter Gemeinschaft. Auch das ist nicht neu. Wenn ich an die Einsiedler in der Geschichte des Christentums denke…
Genaue Zahlen sind stets schwierig, weil ja gerade in den freieren Gemeinden die Übergänge teils streng sind (»gläubig Getaufte«) und teils fließend (»Angehörige, Zugehörige, Freunde und Mitglieder«…) – Einige Gemeinden kennen gar keinen Mitgliedsstatus und sie verstehen sich eher als bloß geistliche Gemeinschaft, nicht als Verein oder Körperschaft.
Kurz: Je eher die Mitgliedsbegriffe divers sind oder werden, desto schwieriger wird auch die Pastoralsoziologie. Auch das ist ein Kennzeichen der Nachmoderne. Es gibt eben nicht bloß das duale: Mitglied oder ausgetreten, es gibt vielmehr ein Spektrum und eine Vielfalt von Begriffen und Definitionen nebeneinander.
Während die großen Kirchen klar Mitglieder verlieren, werden es in den kleinen mehr und die Landschaft an sich wird vielfältiger. Klar ist, dass besonders die nach-konfessionellen Gemeinden und die Pfingstkirchen Zunahmen verbuchen können. Die klassischen Freikirchen (Brüdergemeinden, Baptisten, Methodisten, Mennoniten…) verlieren eher Mitglieder.
In den letzten Jahrzehnten haben sich hier auch zunehmend Gemeinden der ostkirchlichen Traditionen angesiedelt. Wo Christenmenschen sind, denen das ein Anliegen ist, ist dies die natürliche Folge. Russisch-orthodoxe, griechisch-orthodoxe, syrisch-orthodoxe und etliche mehr sind in jeder mittleren Großstadt (je nach Struktur der Einwohnenden) selbstverständlich. Und leider ignoriert dies die Pastoralsoziologie bisher hierzulande geflissentlich.
Was mir auch fehlt ist der »Impact Faktor«, also: Wie sehr sind die, die sich zu einer Gemeinde zählen, von ihrem Glauben geprägt: Bedeutet das, Weihnachten einen Gottesdienst zu besuchen? Oder mehr? Viele in meinem Umfeld sind an jedem Sonntag in einem Gottesdienst, daneben in Hauskreisen, Dienstgruppen usw. Wer den Zehnten gibt, ist das statistisch vergleichbar mit 9 % der Nettoeinkommenssteuerschuld? Wo tauchen die Unterschiede auf in der Pastoralsoziologie?
Kurz gesagt: Die Zählweisen und Methoden dieser Disziplin erscheinen mir eher vormodern bis modern, aber kaum den Herausforderungen der Postmoderne entsprechend.
Ich lasse mich aber gerne eines Besseren überzeugen. Wenn da jemand etwas besser informiert ist: Immer her damit
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