Christenmenschen sind schon früh und lange verbunden. Prägend für ihre »Identität« ist, dass sie sich mit Christus verbunden wissen, und damit auch mit den anderen. –
Für die Antike war bereits die Überwindung der Kategorien von Freiem und Sklaven kaum vorstellbar. Der Philemonbrief und viele der neutestamentlichen Briefe (1. Petrus 2,18ff u.ö.) machen diese Verbundenheit deutlich. – Dass Mission ein neues Miteinander von Frauen und Männern erforderte, in dem etwa Purpurhändlerin Lydia und viele der sonstigen Mitarbeitenden (Priscilla und Aquila etwa) eine gänzlich neue Rolle spielten. Gabenspezifisch ging es um die Aufgaben und die Gaben. Sicher kann man die Darstellungen in der Apostelgeschichte und den Briefen als idealisiert annehmen. Nichts desto trotz: Es ist die Geschichte »der frühen Christentümer« (F. Vouga) kaum zu denken ohne den Heiligen Geist und manche Grenzüberschreitungen.
Wenn es heute um identitäre Bewegungen geht, dann geht es gewöhnlich um Engführungen. Um eine eigene Identität, die andere als »anders« ausgrenzt, und sich selbst von ihnen abgrenzt. Allein: Ich finde, dass wir den Begriff der »Identität« nicht den Identitären überlassen sollten. Vielmehr geht es darum, die Verbindungen zwischen Menschen zu sehen, die »in Christus verbunden« sind. Das gilt dann gleichermaßen für die Ökumene wie für die Internationalität.
Ich gehe so weit, dass sonstige, wichtige und prägenden »Identitätsmerkmale« nicht mehr trennen müssen und dürfen – wie etwa das Geschlecht (und zwar gleichermaßen bezüglich der Geschlechtsmerkmale wie bezüglich der Prägung und Selbst-Wahrnehmung), die (Mutter-)Sprache usw.
Natürlich trennen Sprachen. Natürlich bin ich, der Verfasser dieses Textes, ein Mann. Kultürlich ist das möglicherweise trennend. Da aber, wo Jesus in die Nachfolge beruft, da kann und sollte ich nicht sortieren, weil ich es mir leichter machen möchte. Wie können wir bei einer Feier dem Gastgeber die Gästeliste diktieren wollen? Unvorstellbar. Wenn ich es nicht mit den anderen ertrage, dann kann ich selbst für mich entscheiden, wegzubleiben. Dann aber bringe ich mich um die Gemeinschaft mit dem Gastgeber, der einlädt.
Der Kreis der Jüngerinnen und Jünger war überaus vielfältig. Wenn ich aber die Aspekte meines eigenen Seins nach ihrer Gewichtung sortiere, so muss ich sagen können, ob ich zuerst Christ bin – oder zuerst Deutscher, zuerst Abendländer, zuerst heterosexuell, zuerst Mann. Wenn ich mein Christ-Sein nicht an erste Stelle stelle, dann muss ich nur wissen, dass ich Gott einen Korb gebe, seinen Ruf in die Nachfolge abperlen lasse. »Herr, lass mich zuerst (mit deutschen, heterosexuellen, methodistischen Männern) einen Hauskreis gründen.« — dann folge ich (vielleicht) nach…
Wenn Glaube meine Antwort auf Gottes Ruf ist, dann muss ich – so zumindest mein Verständnis bisher – alles andere zurückstellen.
Insofern finde ich es durchaus pragmatisch, mich als »identitären Internationalisten« zu beschreiben, denn das bin ich: Meine Identität ist vor allem dadurch geprägt, sie soll es mehr und mehr werden, dass meine Unsprungs- bzw. Herkunftsnation hinter meine Bürgerschaft im Reich Gottes als »Doppelpass« zurücktritt. Ich meine, dass es mit Apostelgeschichte 5,29 im Zweifel gilt, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.
Was prägt uns wirklich? Was prägt dich, Sie oder mich? Sind wir in unserer Identität etwas anderes als zu aller erst Christenmenschen? – Wenn das so wäre: Wäre es nicht wünschenswert, das zu ändern? Insofern finde ich, dass wir nicht allein den so genannten »Identitären« diesen Begriff entreißen sollten, indem wir ihn in der Öffnung für alle, die der Geist beruft, verstehen. Ich meine, dass identitäre Christen dazu da sind, gerade diese Weite in den Identitätsbegriff wieder hinein zu bringen.
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