Wir leben in Zei­ten, in denen vie­les, das frü­her pass­te, fahl und unpas­send erscheint. Vie­les ist gesagt, vie­les kommt heu­te zu pathe­tisch daher. Ja, auch in der Post­mo­der­ne leben Men­schen ihr Leben. Sie leben auch als Chris­ten oder als Ange­hö­ri­ger ande­rer Welt­an­schau­un­gen und mehr und mehr haben sich von allen grö­ße­re Kon­zep­ten weit distan­ziert. Sie glau­ben nicht nur nicht an einen Gott (das wäre schlich­ter Athe­is­mus und ist seit bald hun­dert Jah­ren auf den Schutt­ab­la­de­platz der Zeit gewor­fen) sie glau­ben nicht ein­mal, dass es ver­tret­bar ist, so eine Aus­sa­ge zu wagen wie die, dass es kei­nen Gott gäbe.

Agnos­tik macht sich breit. Die indi­vi­du­el­len Lebens­ent­wür­fe sind auf Funk­ti­on aus­ge­rich­tet, dar­auf, dass Hand­lun­gen (etwa eine Fami­lie zu grün­den) gelin­gen, dass das Wirt­schafts­mo­dell eines Unter­neh­mens funk­tio­niert. In die­sem »Hier-stehe-ich,-ich-kann-auch-anders« hat sich eine Meis­ter­schaft ent­wi­ckelt in unse­ren moder­nen Gesell­schaf­ten. Wir wis­sen und ken­nen die Ent­wür­fe, die ande­re an ande­ren Stel­len unse­rer Erde leben. – Und wir glau­ben nicht mehr, dass unser Modell das ein­zi­ge oder zumin­dest das best­mög­li­che sei.

Weil das so ist, haben es tra­di­tio­nel­le Kir­chen, gleich ob »Lan­des-« oder »Frei­kir­che« nicht leicht, Men­schen mit ihren Bot­schaf­ten anzu­spre­chen. Ja, das mag ja sein. Aber: Es könn­te ja auch anders gehen oder in einem ande­ren sozia­len Zusammenhang.

Unse­re Iden­ti­tät ist divers. Das gilt nicht nur für die Geschlech­ter­de­bat­te, in der Gen­der den klas­si­schen Sexus abge­löst hat. – Es gilt für vie­le oder die meis­ten Berei­che unse­res Lebens: Jazz und den King of Pop darf man mögen und Mozart und Haydn im Web­ra­dio hören.

Heu­te ist wich­ti­ger als je, dass man nicht miss­ver­stan­den wird oder gar von den Fal­schen Bei­fall bekommt für das, was man in sozia­len Medi­en preis­gibt. Jede/r ist eine Ich-AG: Zumin­dest bei Face­book gilt es, uns stän­dig zu ver­kau­fen. Work­out, Salat zum Mit­tag… War­um pos­tet nie­mand (außer den Ver­lie­rern) die Chipstüte?

Wenn ich mir die App her­un­ter lade, die mich durch 15 Minu­ten »Medi­ta­ti­on« lei­tet, ist das cool. Wenn ich eben­so lan­ge bete, ist das gar nicht cool, son­dern ver­däch­tig extre­mis­tisch. Womög­lich ein Fun­da­men­ta­list? Das wäre das Schlimms­te. – Alle wis­sen doch, dass Fun­da­men­ta­lis­ten Anschlä­ge pla­nen, vor nichts zurück­schre­cken. Das sind doch die, die einen mit Trak­ta­ten trak­tie­ren und mit Weih­was­ser­wer­fern ihre »Posi­ti­on« durch­zu­set­zen bereit sind. Als ob man heu­te noch eine Pos­ti­on zu etwas haben könn­te. – Wäre doch an sich schon intolerant.

Das ist die Aus­gangs­po­si­ti­on die­ses Blogs. Hier geht es um Nach­fol­ge in der Post­mo­der­ne. Und wie es sich in einer Zeit des end­lo­sen Dia­logs der Tex­te und Zei­chen gehört, kom­men hier auch Gedan­ken ande­rer zum Zuge. Bedau­er­li­cher­wei­se sind die meis­ten der­je­ni­gen, die zu die­sen Fra­gen nach­ge­dacht haben, noch kei­ne 70 Jah­re lang tot. Das führt dazu, dass trotz des­sen, dass die Tex­te aus dem The­sau­rus und der Auto­kor­rek­tur stam­men, mut­maß­li­che Urhe­ben­de Rech­te bean­spru­chen kön­nen, so als hät­ten sie einen Autoren­be­griff wie Goe­the. In die­ser Hin­sicht ist die Post­mo­der­ne lei­der meist nicht ein­mal modern, geschwei­ge denn post-modern.

Also muss ich ver­lin­ken, in mei­nen Wor­ten wie­der­ge­ben, hin­wei­sen auf usw.

Die Fra­ge bleibt, wie heu­te (christ­li­che) Nach­fol­ge — es geht hier nicht um Unter­neh­mens­nach­fol­ge! — gedacht und gelebt wer­den kann. – Mir ist die Fra­ge wich­tig, weil ich mehr und mehr den Ein­druck gewin­ne, dass Gemein­den nicht das Modell sind, mit dem alle erreicht wer­den könn­ten. Vie­le pas­sen nicht in eine Gemein­de, gleich, wel­che es ist. Die­se Men­schen aber lie­gen mir am Herzen.

Ich fin­de, dass vie­le vor-moder­ne Ant­wor­ten nicht zufrie­den stel­len. Weder mich noch ande­re, die anders – näm­lich nach-modern – denken.

Immer wie­der tun Gemein­den, Pas­to­ren usw. so, als gäbe es genau eine Wahr­heit, und die sprä­chen sie aus. Natür­lich, Johan­nes 14,6: »Ich bin der Weg, die Wahr­heit und das Leben«. Das wis­sen alle seit dem Kin­der­got­tes­dienst. Was das aber hei­ßen oder bedeu­ten kann, wenn wir über Wahr­heits­be­grif­fe nach­den­ken, das bleibt oft ent­we­der naiv oder über­aus unklar.

Mir liegt der Ansatz aus dem metho­di­schen Kul­tu­ra­lis­mus von Peter Janich und Dirk Hart­mann sehr nahe: »Wahr ist, was im Dia­log nicht sieg­haft bestrit­ten wer­den kann.« – Das Ver­fah­ren für die Wider­le­gung ist die dia­lo­gi­sche Logik (Kamlah/Lorenzen).

Ja, das ist nicht unbe­dingt intui­tiv, es klingt mög­li­cher­wei­se kom­pli­ziert. – »Ohne Dia­lek­tik den­ken wir auf Anhieb düm­mer; aber es muss sein: ohne sie!« [Botho Strauß].

Ich habe zu vie­le den­ken­de Men­schen um mich, als dass ich ver­lan­gen könn­te, dass die in Glau­bens­din­gen ihren Ver­stand an der Gar­de­ro­be abge­ben. Wenn wir das aber nicht möch­ten, dann müs­sen wir für uns, für hier-und-heu­te den­ken. Wir brau­chen zumin­dest eine Art zu spre­chen, die geeig­net ist, 1.Petrus 3,15b zu genü­gen: »Seid alle­zeit bereit zur Ver­ant­wor­tung vor jeder­mann, der von euch Rechen­schaft for­dert über die Hoff­nung, die in euch ist.« – Mehr­heit­lich sind wir nicht sprach­fä­hig, weil alles ent­we­der Flos­kel oder »Spra­che Kanaans« ist. Ganz gleich, ob es »wört­lich« gemeint ist oder »über­tra­gen«: Was das jeweils hei­ßen kann, das bleibt viel­fach völ­lig unklar.

Deut­lich ist, dass sich nicht alle für eine her­me­ti­sche Offen­ba­rung inter­es­sie­ren. Wenn nur Ein­ge­weih­te ver­ste­hen kön­nen, wovon gespro­chen wird, kommt das zumin­dest nicht dem so genann­ten Mis­si­ons­be­fehl nach. Wie kann man Rechen­schaft geben von einer Hoff­nung, wenn wir mit Nor­mal­men­schen nicht zu spre­chen in der Lage sind?

Wohl gemerkt: Ich selbst füh­le mich in Gemein­den und auch zwi­schen den unter­schied­li­chen Ver­ständ­nis­sen unter­schied­li­cher Geschwis­ter durch­aus wohl. Ich sehe die Her­aus­for­de­rung mehr dar­in, von jeder und jedem etwas Hilf­rei­ches zu hören und zu ler­nen. – Das ist nicht ein­fach, aber mein schlich­ter Anspruch.

Sprach­lo­sig­keit ist kei­ne Lösung. Sicher, was man nicht klar den­ken kann, davon soll man schwei­gen. Aber auch über die­se frü­he Maxi­me ging der spä­te­re Witt­gen­stein ja selbst deut­lich hin­aus, etwa bei sei­ner Ein­füh­rung ers­ter Begrif­fe in den Phi­lo­so­phi­schen Unter­su­chun­gen. – Prag­ma­tisch (also im Han­deln) ist das sehr wohl möglich.

In den Arti­keln, die hier fol­gen, auch Dia­lo­ge, Pod­casts usw. sind denk­bar, geht es dar­um, wie wir in der Post­mo­der­ne als Chris­ten­men­schen (wie­der) sprach­fä­hig wer­den können.